Das Kurhaus Binz steht für gehobenen Luxus sowohl im Hotel– als auch im Restaurantbereich. Den Anblick des Seebades seit ca. 1900 bestimmend, gehört es mittlerweile zur Travel Charme Hotelkette und überstrahlt in seiner Mondänität weithin sichtbar die Binzer Strandpromenade. Ab ca. 1900 erlebten die Rügener Seebäder, allen voran auch Binz, den ersten Boom. Reiche Berliner investierten in das«Sorrent des Nordens», wie es so schön auf der Internetseite des Kurhauses heißt. Forthin stand das Kurhaus für rauschende Ballnächte, herrlichen Blick auf die Ostsee und das Treffen der«Whos who» der feinen Gesellschaft. Nach dem zweiten Weltkrieg firmiert das Kurhaus als Erholungsheim und wird nach der Wende wieder zu dem Blickfang der Promenade, strahlender denn je. Somit ist es auch eine Herausforderung für Bärchen, hier mal wieder einzukehren, praktisch ein Wiedersehen nach gut 30 Jahren, als ich hier im Festsaal meinen Abiball beging. Mit diesen Zeiten ist es natürlich nicht mehr zu vergleichen. Das Kurhaus bietet jetzt alles, was man in der feinen Gesellschaft mit Luxus und Exclusivität verbindet: schwere Teppiche, große Lüster, Stuckdecken, schwere wallende Vorhänge, fein gedeckte Tische. Fast schon etwas antiquiert und den Charme der«guten alten Zeit» bewahrend, wirkt es etwas angestaubt. Mir gefallen moderne, zeitlose Restaurants fast besser, aber das muss jeder für sich entscheiden. Unbezahlbar und praktisch kostenlos: der tolle Blick auf die Fluten der Ostsee. So machten wir uns auf den Weg, die breite Treppe empor und standen: vor verschlossenen Türen. Entweder mit elektronischer Zimmerkarte hinein oder, wie ein kleines verschämtes Schild es ausweist, geht es durch den Palmengarten an der Rezeption vorbei zum Restaurant. Gut, als Grund wird uns mitgeteilt, dass man so eilige Strandgäste oder auch nur Toilettensucher abhalten will. So gesehen, ist das schon sinnvoll. Schöner wäre es, auch hier einen Empfangsmitarbeiter zu postieren, denn der Zugang von der Promenade über die breite Treppe stimmt schon feierlich ein. Im Restaurant wird man von einer fast zu kühlen Temperierung empfangen. Gut, für die Herren im Jackett sinnvoll, sommerlich gekleidete Damen dürften leicht frieren. Wie oben beschrieben, fühlt man sich doch wohl, vielleicht ist das antiquierte Ambiente doch etwas aufgesetzt. Demgegenüber steht dann aber der perfekte, leicht steife Service. Zuerst sehr zurückhaltend, kann man dann aber doch ins Gespräch kommen und der Abend wurde perfekt. Herrn Werner sei dank, der uns sehr gut betreute und beriet. Nun aber zum Wesentlichen. Die Speisekarte bietet sehr gut klingende Gerichte, sehr viel aus den heimischen Seen und Wäldern. Alles andere hätte mich auch gewundert. Als Remineszenz an Tagesgäste bietet die Karte ein gut erschwingliches Tagesmenü in 4 Gängen. Ansonsten liegen die Preise erwartungsgemäß etwas höher. Nach einem hervorragenden Apéritif, Prosecco mit Walderdbeeren, entschieden wir uns für die Felsengarnelen und die Wittower Kohl Thai-Curry Suppe als Vorspeisen. Hauptgänge durften die Bio-Schweinelende vom Havelländer Apfelschwein sowie das Saltimbocca vom Mecklenburger Wildschwein sein. Für ein Dessert entschieden wir uns vorerst nicht. Bei vom Haus kredenzten Brot und Bioolivenöl aus Italien verging die Zeit, zumal man auch bei netten Gesprächen und Blick auf die Ostsee nie Langeweile verspürt. Als die Vorspeisen kamen, machte das Haus seinem Anspruch alle Ehre. Perfekt arrangiert, boten diese auch geschmacklich Genuß auf höchstem Niveau. Die Kohlsuppe auf Thai-Curryart war genial, die Felsengarnelen mit geräuchertem Sellerie verwöhnten den Gaumen mit einer wirklich tollen Geschmackskomposition. So freuten wir uns natürlich auf die Hauptspeisen. Die konnten leider die Erwartungen, die die Vorspeisen weckten, so nicht mehr halten. Zwar schon sehr gut gemacht, fehlten hier diese Leichtigkeit im Umgang mit den Zutaten und der Überraschungseffekt. Klar, prima gemacht, aber der Punkt aufs«i» war nicht zu finden. Das Saltimbocca vom Wildschwein überzeugte geschmacklich sehr, rosa gebraten, herrlicher Geschmack. Die Beilagen blieben aber deutlich zurück. Ähnlich auch bei der Schweinelende. Gut, Schwein ist und bleibt Schwein, könnte man jetzt sagen, aber der Pfiff fehlte. Auch hier, zartrosa gebraten, gut portioniert, aber geschmacklich fehlte etwas. Nun also doch ein Dessert. Sozusagen als Zünglein an der Waage und zu entscheiden, 4 oder 5 RK-Sterne für das Essen? Hier kam dann wieder die Perfektion durch. Meine Auswahl an Rügener Biokäsen war einfach toll. Sehr großzügig bemessen, auch mit reichlich Beilagen verziert, als da waren zwei Senfsaucen, Weintrauben, Feigen… Die reichlich aufliegenden Salzstangen sind wiederum Geschmackssache. Aber die Erfahrung waren die Sachertörtchen. Traumhaft. Genial, Einfach toll… Allein die wären die 5 Punkte wert. Genuss pur.