Mein Bruder hatte mich auf den Hafenkrug aufmerksam gemacht, ein gutbürgerliches Traditionshaus, dass in Hamburg an der Grossen Elbstrasse direkt neben dem Sushi-Tempel Henssler & Henssler und dem Frischeparadies liegt. Das Haus gibt es schon ewig, es fällt auf zwischen den Fischhallen und den vermehrt auftretenden modernen Häusern der Hafenrandbebauung. Früher war ungefähr auf dieser Höhe der Anfang des Hamburger Straßenstrichs, heute ist nur noch Christine übrig, in die Jahre gekommene Dame des horizontalen Gewerbes, die einem hinter ihrem Namensschild und allerlei im Auto hängendem Tinnef, einladende Blicke zuwirft. Der Hafenkrug war ebenfalls in die Jahre gekommen als Lother Tubbesing und Heike Freitag ihn für die Erfüllung ihres Lebenstraums entdecken. Das war Anfang 2007. Tubbesing ist geborender Westfale und überzeugter Hanseat, hat nahezu alle Stationen einer gastronomischen Karriere weltweit durchlaufen, u.a. Kellner-, Koch– und Konditorausbildung, Barkeeper im Grosvenor House in London und Leitung mehrerer Restaurants und großer Hotels. Frau Freitag kocht, hat sich der Slow Food-Bewegung verschrieben, die Genuß und Naturprodukte groß schreibt, und zieht ihre bodenständige Kreativität und Vielfalt aus der liebevollen Ausbildung durch ihre Großmutter. Tochter Tubbesing fungiert als Chef de Rang und schmeisst gemeinsam mit ihrem Vater den Laden jenseits der Küche und des Tresens. Und dann wäre da noch die 5-Jahre alte Dogge zu erwähnen, die friedlich im Wege liegt. Wer hier eintritt wird sehr nett und zuvorkommend von Herrn Tubbesing empfangen, Fotos und Gemälde, die den Hafen und seine Menschen zeigen, hängen im ganzen Lokal ohne kitschig zu wirken. Der kleine Hauptraum hat Platz für gute 30 Leute, die Fenster gehen Richtung Hafen. Warmes Licht, Gemütlichkeit, mit Betreten des Lokals steigt die Vorfreude auf die kommenden Stunden nochmals beträchtlich an. Zu Recht wie sich im Laufe des Abends zeigen wird. Wir sind zu acht, es gilt in einen Geburtstag reinzugleiten bei perfekt gezapften Astras, überzeugenden Weinen aus einer ziemlich großen Weinkarte — Sommelier hat Herr Tubbesing nicht gelernt, berät aber aus Erfahrung gut — und umsichtiger Betreuung. Alle bestellen unterschiedlich, es gibt Himmel & Erde, Labskaus, Hamburger Pannfisch, tagesfrische Miesmuscheln, in Butter gebratenen Zander, gebratenes Rotbarschfilet auf Pommery-Senfsauce, gebratene Blutwurst, ein Hamburger Rundstück und Steakmedaillions(mit 20,50 Euro das teuerste Gericht auf der Karte). Ob es uns etwas ausmachen würde, wenn es etwas länger dauert, da man nur über vier Kochplatten verfüge. Nein, im Gegenteil, alles hört sich lecker an und wir haben reichlich Zeit mitgebracht. Und alles was uns aufgetischt wird, schmeckt köstlich und sorgt für höchst zufriedene Gesichter. Gegen 24 h sind wir die letzten Gäste, schmettern ein losgelöstes Happy Birthday und dürfen — ohne uns gehetzt zu fühlen — bis nach 1 h bleiben. Wir gehen in dem Gefühl, eine persönliche Entdeckung gemacht zu haben, die uns auch zukünftig noch viel Spaß machen wird. Auch Christine hat jetzt eingepackt, die Tage werden kälter. Herzlichst, Schnuppidu Epilog /16.04.08: Den Hafenkrug gibt es nicht mehr, den neue Wirt nennt das neue Restaurant jetzt Marseille und antwortet auf die Frage nach Herrn Tubbesing: oh, wo der jetzt ist, keine Ahnung, aber unter den Umständen unter denen er den Hafenkrug verlassen hat. Schade.