Nordfriedhof

Auch dies ein freundlicher Friedhof, weiter hinten an der Mauer sind ein paar hübsche Gräber, jedoch fast der gesamte vordere Teil ist recht neu und relativ ‘normal’, daher für stimmungs– und motivsuchende Fotografen eher nicht so interessant.
Das Verwaltungsgebäude ist ein durchaus anziehendes Motiv, auch hier kann man gut sitzen und besonders wichtig: Es gibt ein Klo.
Mein erster Besuch auf diesem Friedhof damals folgte nämlich genau jenem ‘call of nature’, und da sich auf Friedhöfen meist Toiletten befinden, hab ich mir gedacht, schaust mal rein. Und wurde fündig. Seither bin ich auf dem Weg zum Nordteil des Englischen Gartens mehrmals zuerst dort hineingegangen und hab eine Runde gedreht.
Gegenüber dem Eingang an der Hauptstraße befinden sich auf der anderen Straßenseite Supermärkte, dies ist wahrscheinlich der Grund, warum auf der Bank vor dem Friedhof immer ein paar Schnapsbrüder hocken und es sich wohl sein lassen. Man muß da ja nicht vorbeigehen.

Ich finde Friedhöfe immer irgendwie beängstigend.
Positiv überrascht war ich jedoch vom Nordfriedhof.
Allein schon das Gebäude wirkt eher beruhigend. Die Farbe und Bauuart strahlen etwas besonderes aus. Als erstes musste ich irgendwie an Urlaub in Italien denken…
Auch die Gräber sind geschmückt mit diversen Statuen und ich war erstaunt, wie viel Persönlichkeiten hier ihre letzte Ruhen fanden.

Ich liebe Friedhöfe. An einem lauen Sommertag am Nordfriedhof auf einer Bank ein Buch zu lesen, oder das Spiel der Blätter im Wind zu beobachten, hat eine absolut beruhigende und zugleich anregende Wirkung auf mich. Vor allem der alte Teil, mit seinen Grabdenkmählern und großen alten Bäumen, ist besonders schön. Grabinschriften wie «Tot ist, wer vergessen ist.» auf einem völlig verwilderten Grab erinnern einen daran, dass man eben nichts festhalten kann. Ich lasse den Lärm der Straße hinter den Friedhofsmauern zurück und niemand beachtet mich. Hier ist jeder für sich.
Als meine Mutter starb, war es keine Frage, wo sie liegen sollte und ich bin mit meinem Sohn, der damals noch im Kinderwagen saß, oft durch den Nordfriedhof gefahren, weil ich ihn dort ohne Sorge vor der Straße einfach laufen lassen konnte.
Ich empfehle allerdings jedem, der die Schönheit des Nordfriedhofs erkunden möchte, nicht zu spät am Nachmittag zu starten, oder sich vorher die Lage des hinteren kleinen Ausgangs gut einzuprägen. Wenn der Friedhof schließt, merkt man das nämlich überhaupt nicht.
Ich hatte schon das zweifelhafte Vergnügen, abends im Winter die Zeit zu versäumen und den Friedhof ganz für mich allein zu haben. Es war auf einmal kein Mensch mehr zu sehen. Ein wenig beunruhigt ging ich zum Tor, das leider verschlossen war. Während ich leicht panisch den Kinderwagen mit meinem fragenden Sohn von einem Tor zum nächsten schob, wurde es immer dunkler. Bis auf den Rauch aus dem Krematorium, war kein Lebenszeichen zu sehen und ich hatte keine Ahnung, wo sich besagter Hinterausgang befand.
Am Ende half mir ein Betrunkener meinen Sohn über die Friedhofsmauer zu heben, was ich alleine nie geschafft hätte. Meinem Kleinen klapperten vor Angst die Zähne so, dass ich es auf der doch recht befahrenen Ungererstraße hören konnte.
Wir überquerten die Straße und entdeckten ein Café auf der anderen Seite, wo ich meinem Sohn eine heiße Schokolade und Kuchen bestellte. Die beiden Damen hinter der Theke waren voll des Mitgefühls für meinen Kleinen, der sich Mühe gab, das Erlebte mit Scherzen zu vertreiben, während seine Zähne noch immer klapperten. Das war echt gruselig. Seitdem bin ich etwas vorsichtiger mit Besuchen auf dem Nordfriedhof geworden, aber am Tag finde ich ihn immer noch wunderschön.
Da sich die Öffnungszeiten nach Jahreszeit unterscheiden — hier vorsichtshalber noch einmal genauer:
Oktober bis Februar 08 — 17 Uhr
März, September 08 — 18 Uhr
April bis August 08 — 19 Uhr