Rathaus Zentrale

WIR SIND IN WAHRHEIT URALT! Kennt Ihr das? Erst ist einem so komisch zumute, so mulmig irgendwie und blümerant, dann kann man beim Blick in den Spiegel kaum mehr was erkennen — und schließlich steigen Selbstzweifel auf wie ein Schwarm Seifenblasen: Sein oder nicht sein? Existiere ich denn überhaupt? Oder träumt mich nur wer? Descartes in reverse: Niemand nimmt Notiz von mir — also bin ich auch nicht! Was kann man gegen Existenzzweifel und mangelnde Resonanz denn tun? Nun, man kann sich zum Beispiel überfallen, verdreschen, beklauen und brandschatzen lassen! (Meine Vorfahren waren ziemlich gut in diesem Gewerbe) Duisburg ergriff in aschgrauer Vorzeit, im Jahre 883, zu diesem verzweifelten Mittel der Selbstbestätigung: Es ließ sich von einer mit Schnellruderbooten, Steingranaten und scharf gemachten Eisenschwertern bewaffneten Piraten-​Horde von Wikingern überfallen! Die kamen den Rhein hochgerudert, sahen das schmucke Dörfchen, das Duisburg vielleicht hieß, eine befestigte Burg aber leider nicht besaß — und den Herren Wikingern somit als willlkommene und leichte Beute sich anbot. Man übte unverzüglich sein erlerntes Handwerk aus: Hauen, Stechen, Würgen, Schänden, Plündern, Mordbrennen sowie mit-​fremdem-​Gut-​ganz-​schnell-​und-​grußlos-​wieder-​Abhauen! Zurück blieben schwelende Asche, berechtigte Empörung und ein leichter Zweifel an der Güte des (noch relativ neu im Amte befindlichen) Christengottes. Mit möglichst wenig Eiertanz & Winkelzug zu beweisen, daß unser Herr ein Lieber-​Gott ist, auch wenn die Welt in Blut, Dreck und Gemeinheit versinkt (Wikipedia-​Freunde gucken mal unter: Theodizee), war Aufgabe der Theologen, gelehrter Mönche zum Beispiel wie der Abt des Klosters Prüm, Regino, einer war, der sich des Falles nämlich annahm und bei dieser Gelegenheit nicht umhin kam, des niedergemachten Dörfchens Erwähnung zu tun. Das war, wie gesagt, im Jahre 883 — und zack! wurde der Welt bekannt, daß es uns gab. Gestatten: Duisburg, zur Zeit etwas abgebrannt, aber zum Wiederaufbau entschlossen Damit ist historisch erwiesen, daß Duisburg kein Gewerbegebiets-​Wüstenkaff ist, das ein gewisser Horst Schimanski in den 80er entdeckt hat, und daß es sich auch nicht um eine von Krupp, Thyssen, Mannesmann und den Kohlebaronen aus dem Boden gestampfte Barackensiedlung für Montanindustrie-​Sklaven handelt, sondern um eine uuuuralte Kultur-​Stadt mit Tradition, Geschichte und, tja, eben Kultur. So etwas muß man gewesen sein, sonst machten sich die Wikinger gar nicht erst die Mühe Unsere Stadtväter, unter ihnen überraschend viele Grund-​, Real– und Berufsschullehrer, haben jetzt mal im Kalender geblättert, den Taschenrechner befingert, eine Zeichnung gemacht, ein Modell gezimmert und am Ende der Legislaturperiode herausgetüftelt: Wenn also das so ist, daß Duisburg im Jahr 883 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird, dann dann heißt das ja, Moment eben, … daß die Stadt also jetzt. ziemlich genauhmja! 1125 Jahre alt ist, mindestens! 1125 Jahre! Wenn das kein runder Geburtstag ist! Und wer würde wohl seinen 1125. Geburtstag verrauschen lassen, ohne ein Fass aufzumachen?! Na also. Wieder die Kalender rausgeholt: Wann ist denn nun bloß zwischen Weihnachtsmarkt, Weinfest, Trödelmeile, Stadtfest, Matjes-​Tagen, Handwerkermarkt, Afrika-​Markt, Mittelalter-​Tagen, Wohnen-​in-​Duisburg-​Messe, den Energie-​Tagen, dem Stadtmarathon und dem großen Behörden-​Wetttrinken noch mal schnell ein Wochenende frei? Ein einziges, an dem die Innenstadt noch nicht bespielt und beballert wird, ist das Wochenende vom 5. — 7. September. So! Das wird geblockt! Da feiern wir jetzt 1125 JAHRE DUISBURG EIN FEST RUND UMS RATHAUS ! Wir wissen ja nicht, ob wir so jung noch mal zusammen kommen, weswegen die Stadtväter sich nicht haben lumpen lassen, was das FEST-​PROGRAMM betrifft: Es gibt natürlich genug zu trinken, erstmal. Als dann wird Oberbürgermeister Adolf der Viertelvorzwölfte Sauerland, der anscheinend eine Wette verloren hat, interesssierte Bürger persönlich durchs Rathaus führen, wo man die Schnarchsäcke Stadtoberen bei der Arbeit besichtigen darf. Der OB hat verlautbaren lassen, er werde auch seine Goldene Amtskette bei dieser Gelegenheit einmal herzeigen! Ferner gibt es Kabarett, jede Menge Nachwuchs-​Musik, die Philharmoniker spielen populäre Potpourris, und dann geht es zum musikalischen Höhepunkt: die bis zum Abwinken abgenudelte beliebte Band Wir sind Helden um die sympathische Quietschenudel Sängerin Judith Holofernes tritt auf! Open Air und komplett gratis! WIR-​SIND-​FANS von WIR-​SIND-​HELDEN! Ich persönlich freue mich noch verschärft auf ein anderes angekündigtes High-​Light, einen Ohrenschmaus der Exzellenz-​Klasse: Für einen Auftritt gewonnen werden konnte niemand geringeres als Geert Chatrou, der amtierende WELTMEISTER IM KUNSTPFEIFEN! Jetzt seid Ihr sprachlos, oder? Doch folgen noch Attraktionen Schlag für Schlag: So verteilen die Kicker des frisch aus der Ersten Liga abgestiegen MSV Duisburg Autogramme an alle, die noch eins haben wollen, es gibt ein