Burgplatz / Rathaus

AUS FEUCHTGEBIETEN AUFERSTANDEN Kurze Geschichte einer oft verleumdeten Stadt (1125) Wir sind schon ganz aufgeregt! Ich erwähnte das: Am Wochenende feiern wir aus marketingstrategischen Erwägungen 1125. Geburtstag, weil, irgendwann muß man das ja mal machen. Wir hatten da Anfang September halt noch ein Wochenende frei. Dabei ist unsere Stadt wahrscheinlich noch viel älter. Aber Tante Marthas Fünfzigsten haben wir ja auch jahrelang gefeiert Also dheus burch: dheus ist germanisch und heißt: Feuchtgebiet. Unser Name bedeutet ursprünglich: Befestigter Ort auf den Überschwemmungsflächen. Die Feuchtgebiete haben sich heute anderswohin verlagert. Auf jeden Fall gab es 883 bei uns schon irgendetwas zu holen, sonst hätten sich die Wikinger die Mühe der Anreise nicht gemacht. (Heute kommen hauptsächlich Holländer in Bussen, und, untypisch für unsere werten Nachbarn, sie lassen eher Geld hier, als es einzusacken.) Im mittleren Mittelalter waren Königeshöfe noch sehr instabile und vor allem: ambulante Unternehmen. Könige schnurrten andauernd wie aufgezogen überall in ihrem Reich herum, damit die Bürger auch merkten, daß sie überhaupt regiert wurden. Meistens hießen die Könige Heinrich oder Karl; zur besseren Unterscheidung wurden sie durchnummeriert. Für Hotels war die Zeit noch nicht reif, also baute man hier und da große Steinhäuser, die man Pfalzen nannte; sie waren alle völlig gleich eingerichtet (Ikea-​Prinzip: Sofa ‘Smørebrød’, Regal ‘Billy’, Matratze ‘Sultan Knut’, Thron ‘Svenhautmichimmer’), damit der König sich auch im Dunkeln zurechtfand, wenn er mal vorbeischaute. Duisburg hatte im 10. Jahrhundert 18mal Besuch von Königs! Darin erinnern heute die Köngstraße und das Königs Pilsener (Köpi). Dann wurden wir bis 1290 freie Reichsstadt. Wenn das hier ein Historiker mitliest, der gern den Lehrer spielt, kann er uns im Kommentar ja mal schreiben, was das überhaupt bedeutet. Im Folgenden hat König Rudolf von Habsburg eines Nachts mit dem Grafen von Kleve gepokert oder irgendeine Wette verloren, weiß man nicht, und dem Klever Grafen unsere ganze Stadt als Pfand verschachert. Für bloß 2000 Silbermark! Die Geschichte ist eine Serie von Pechsträhnen! Der Rhein änderte seinen Lauf (warum machen Flüsse bloß so etwas?) und die Stadt der Feuchtgebiete stand mit ihrem Hafen plötzlich auf dem Trockenen. Zum Trost wurden wir 1407 Mitglied der Hanse. Danach haben wir erstmal abgewartet, was noch passiert. Bißchen Handeln, Wandeln usw. Damit es nicht zuu langweilig wurde, hat man 1549 die Beecker Kirmes gegründet. Es gibt sie heute noch, komplett mit Fahrgeschäften zum Erbrechen-​Machen, Bierzelten (gleicher Zweck, nur ohne vorher durch die Luft geschleudert zu werden) und den allgemein geschätzten internationalen Schläger– & Messerstecher-​Wettspielen. Letztes Jahr gewann Libanon gegen die Türkei mit 21:17 (Verwundeten). Ebenfalls noch heute existiert die Universität, die 1655 erstmals zum Deutlichklügerwerden einlud. Erstmal kamen wohl nicht allzu viele, denn wir hatten nur noch 3000 Einwohner, der Rest war beim Warten darauf, daß der Rhein zurückkam, am ausgetrockneten Hafen verdurstet. Es gab zunächst nur wenig Studenten, weil auch der Bedarf an Kellnern und Taxi-​Fahrern sich noch in Grenzen hielt. Heute wimmelt es in Duisburg von StudentInnen, Tüftlern, Dichtern & Denkern, umsorgt und betreut von Menschen wie Magister Kraska, die sich nicht zu schade sind, die Geheimnisse von Tiefdruckhermeneutik und Schwerpunktmagie zu erläutern. Die nächste stadthistorische Schicksalsschlagszeile: Ein Flame wird Sohn der Stadt! Er hieß Gerhard Mercator (aka Kaufmann), war von Beruf Universalgelehrter und hat, glaube ich, den Erdball erfunden, der vorher noch eine Scheibe war. Geographen kennen vielleicht die sog. Mercator-​Projektion. So nennt man den Trick, mit dem man den eigentlich ja so rund-​kugeligen Erdball in einen ganz flachen, eckigen Atlas reinkriegt, ohne das was übersteht, abbricht oder vergessen wird. Damals, als es GPS und Radar noch nicht gab, war das vor allem für Seeleute von Vorteil. Sie verfuhren, versegelten oder verschwommen sich nicht mehr so oft, und mit Herrn Mercators Projektionen ausgerüstet hätte sich Columbus gar nicht erst mit Indien und Amerika verkaschelt. So heißen aber leider die Amis bis heute irreführenderweise Indianer. Lächerlich. — Gerhard Mercator kann man in Duisburg besuchen: Er liegt hier gleich um die Ecke in der Salvatorkirche, ist aber schon seit 1594 tot. So, wie ging es weiter? Erst einmal gar nicht, es herrschte Stagnation. Nervös wartete man auf einen Strukturwandel, ein Gottesgericht oder wenigstens ein Event. Damals gab es noch nicht jeden Morgen 25.867 Events zu verwalten! Da herrschte eventmäßig Ödnis, Graubrot, Null-​Diät! Erst 1814/​15, der international gesuchte Randalen-​Vandale Napoleon der Kaiser Buonaparte hatte erfolgreich halb Europa demoliert, dann aber in Waterloo seine Krone verloren und war beim Suchen nach ihr verhaftet und nach St. Helena deportiert worden, verstanden dies