Kostümverleih Richter

Früher konnte man als Saupreiß ja einfach so auf die Wiesn fahren, sich mehr oder weniger gepflegt ins Knie hacken und seinen Spaß haben. Heute muss man schon fachgerecht verkleidet erscheinen und Lederhosen und Dirndl sind Pflicht. Besonders wenn die Firma Kunden einlädt.
Aber was macht der Saupreiß, der maximal einmal im Jahr auf die Wiesn muß? Etliche 100 EUR für ein kreatives Outfit investieren, damit es an ein bis zwei Tagen im Jahr getragen wird und es den Rest des Jahres für die Motten heißt — O’zapft iss? Sicher eine Möglichkeit, doch die bedeutet auch jedes Jahr im gleichen Outfit auflaufen (außer man ist von Beruf Tochter oder Sohn). Gut man könnte regelmäßig die Kunden oder Arbeitgeber wechseln, damit’s keiner merkt. Aber es gibt noch eine andere, wenn auch nicht ganz kostenlose, Alternative — den Kostümverleih.
Nachdem mir sehr kurzfristig mitgeteilt wurde, dass meine Anwesenheit auf der Wiesn gewünscht ist, hieß es für mich innerhalb eines halben Tages ein cooles G’wand aufzutreiben. Also flugs die Tante Gugel gefragt und auf den Kostümverleih Richter gestoßen. Am Telefon machte man mir zunächst wenig Hoffnung und bot mir eine kurze Lederhose an. In Anbetracht der aktuellen Witterung, meiner Figur und meines fortgeschrittenen Alters zog ich es vor darauf zu verzichten. Dann meinte die Dame am Telefon, hier hätte sie noch eine coole Hose in meiner Größe! Da bin ich dann ins Auto gesprungen und los gefahren. In einer normalen Wohnstraße deutet zunächst nichts auf den Kostümverleih hin, bis man das Schild im Vorgarten entdeckt. Im Tiefparterre betritt man dann eine eigene Welt. Auf den ersten Blick sieht es hier aus wie in einem gut sortierten Second Hand Laden. Direkt hinter dem Eingang erwartet einen ein großer Ständer mit netten Corsagen.
Bei genauerer Betrachtung bieten die Kleiderständer und Regale aber alles, wovon man als kleiner Junge oder kleines Mädchen jemals geträumt hat. Ritterrüstungen, Schwerter, Kleider für Feen, Elfen, Burgfräuleins, Polizei-​, Feuerwehr-​, Piloten– und Saftschubsen-​Uniformen. Ich könnte diese Liste sicher noch endlos fortsetzen. Es gibt sicher fast nichts, was der Kostümverleih Richter nicht hat. Und dann natürlich alle notwendigen Accessoires zu den jeweiligen Kostümen. Gürtel, Hüte, Taschen, Brillen, spitze Burgfräulein Hüte mit Schleier über Perücken und Bärte bis hin zu Spock– oder Elben-​Ohren.
Aber ob der Fülle des Angebotes wäre man ohne die freundliche und kompetente Beratung der beiden netten Damen hoffnungslos verloren und käme frühestens zur nächsten Wiesn wieder hinter den endlosen Kleiderständern hervor.
Ich wurde hervorragend beraten, bekam eine wirklich mega-​coole Lederhose mit der passenden Weste (auf dem Rücken eine mega-​kitschige Stickerei!), sowie einem Leinenhemd und dem passenden Geschirr (für die Mit-​Saupreißn — Hosenträger!). Geduldig hat die Chefin in Ihren endlosen Regalen und Schubladen gewühlt, bis sie mich perfekt ausstaffiert hatte. Dann folgte noch ein Crash-​Kurs im Zuknöpfen der Hose und in der Montage des Geschirrs!
Das einzige was sie nicht vermieten waren Schuhe, aber hier bekam ich einen Hinweis, in welchem Schuhladen passende Schuhe günstig erworben werden können.
Der Spaß ist nicht unbedingt günstig, aber die staunenden Blicke in der 1. Klasse des Herrn Mehlzorn auf dem Weg nach München waren die Ausgabe alle Mal wert. Und auf der Wiesn war ich der King im Kollegenkreis! Wegen der opulenten Stickerei auf meiner Weste nannten sie mich den Hell’s Angel aus Niederbayern!
Und da meine italienische Kollegin des Klöße Essens noch nicht wirklich mächtig war, bin ich sehr froh dass die Reinigung bereits im Preis inkludiert war. Denn auf meinem rechten Ärmel fand sich reichlich von der leckeren Käfer Bratensoße.