Schanze A.D.

Da stimme ich voll zu. Natürlich braucht das Schanzenviertel 200 Frisöre, 200 Döner-​Läden (hast Du vergessen) und 200 Klamottenläden Die vielen (3000?) Designer brauchen was schnelles zu essen und brauchen immer eine windschnittige Frisur, mit dem Café-​ToGo in der Hand — auf dem Weg zu einem der vielen Klamottenläden, um abends gut auszusehen Da lob ich mir die wahren Geschäfte, die Kunden immer wieder glücklich machen: Radio-​Kölsch in der Schanzenstr.1, den Büromarkt Hansen und der Taschen– und Kofferladen WIKO im Schulterblatt 3 – 5. Natürlich gibt es den Dschungel noch (ist jetzt ca. gegenüber der alten Stelle Schanzenstr.) und der Schuster (der Schanzenschuhmacher) ist in die Kampstr.18 umgezogen. Gute Geschäfte sind eben immer einen Besuch wert, damit sie uns die nächsten Hundert Jahre erhalten bleiben.

Seit 27 Jahren wohne und arbeite ich hier, Schanzenstraße, Weidenallee, Sternstraße, Rendsburger, Oelkersallee. Kaum ein Viertel in Hamburg hat sich so verändert wie dieses.
Ich möchte versuchen, die Veränderungen aufzuschreiben, was mir fehlt, aber auch, was mir gestohlen bleiben kann.
Am meisten vermisse ich zwei Geschäfte, die beide dicht nebeneinander lagen: der Gemüseladen im Schulterblatt, der letzte weit und breit, der nicht türkisch war. Nichts gegen Türken, aber ich mag Äpfel, Birnen und Kartoffeln und da gibt es mehr als Granny Smith und Bintje und da kennt der Türke sich nicht so aus oder wenn, dann findet sich das im Angebot nicht wieder, meist billiges Zeug ohne Geschmack. Dieser Laden hatte in der Apfelzeit locker sieben acht verschiedene Sorten und alle aus der Nähe.
Zwei Häuser weiter war ein Fischmann, der zweite Laden, den ich vermisse, da schwammen Karpfen und Forellen rum und alles war gefliest, die Wände und der Tresen — tolles Geschäft.
Es fehlen die Montblancwerke, die sich über das halbe Viertel erstreckt haben und mittags die Straßen mit Normalsterblichen bevölkerten, deshalb gibt es z.B. das Pick– Expreß nicht mehr in der Susannenstraße, die haben noch ein zwei Jahre ein echt scharfes Jointventure mit der ersten Sushi-​Bar des Koreaclans versucht, da gab es tagsüber Rouladen und Schnitzel für das arbeitende Volk und abends wurde an gleicher Stelle Sushi für die Szene gemacht, da stand dann noch die Literflasche Maggi auf dem Tresen.
Inzwischen gehört den Koreanern die halbe Meile, z.B. auch das nette Gemüsegeschäft von Ali, Schulterblatt Ecke Rosenhof oder das Bierhaus Schulterblatt, später Pickenpack, wo ich als Jugendlicher im Hinterzimmer erste halbkonspirative Treffen einer inzwischen überwiegend in den Grünen aufgegangenen, in Hamburg sehr erfolgreichen linksradikalen Organisation hatte.
Es gibt lange schon nicht mehr das Subito, eine echte Institution des Hamburger Nachtlebens der Achtziger, ebenso das Kir, der Dschungel ist weg wie auch die Angelskneipe (kein großes Problem für mich).Wegen seines Namens und nur deswegen vermisse ich das Jemeinbi in der Wohlwillstraße, da ist jetzt die sehr nette Toastbar drin. Der Name war die Abkürzung von ‘Jede Menge internationale Biere und die Idee dazu wahrscheinlich nach einer ausgiebigen Warenprobe entstanden.
Früher gab es 1000Töpfe in der heutigen Flora, da hätte ich ja lieber das Tanzkaffee der Zwanziger oder das Kino der Fünfziger zurück, plexx hat die Rote Flora sehr in meinem Sinne beschrieben.
Aber es gibt noch die altehrwürdigen Institutionen, wie Café Stenzel, Unter den Linden, Tee Stüdemann oder Radio Kölsch, Büro Hansen oder Schlüssel Reese, nicht zu vergessen Leder WIKO mit dem dreckigen Zebra vor der Tür.
Insgesamt fehlen mir die kleinen Trödler und überhaupt die Unterschiedlichkeit der Geschäfte. Braucht das Viertel wirklich zwanzig Friseure? 200 Bars und Restaurants? Wohin mit den kaputten Schuhen? Was ist aus dem Geschäft mit dem schönen NamenSchinken — Zentralegeworden?
Fragen über Fragen und ich könnte noch lang weiterschreiben, aber ich lass jetzt lieber noch ein bißchen Platz für die romantischen Erinnerungen Anderer.