Architektonische Perlenkette

Einfach nur gruselig und langweilig. Die Häuser könnten auch sonst wo stehen. Überhaupt keine Ähnlichkeiten mit der Speicherstadt.

Oha, ja. Die Teile sind nun fürwahr grausam.
Mir sind die Gebäude zum ersten mal bewußt aufgefallen, als sie im Rohbau waren und noch keine Fenster hatten. Von der Fähre aus schaute ich seinerzeit extra in die Richtung, da ich in der Zeitung davon gelesen hatte, dass dieses Areal neu bebaut werden sollte. Allerdings unterlag ich einem schwerem Gedankenfehler: Ich dachte mir nämlich, dass es ja sehr gut sei die häßlichen Gebäuden aus den 60er Jahren abzureißen, um da etwas neues zu bauen ;-) Noch nichteinmal Fenster hatten die ollen Dinger noch ;-)
Tje, so kann man sich irren. Nene, dass hätte sich Hamburg gern sparen können.

Wer am Elbufer entlang geht muss unweigerlich an den vier Neubauten vorbei, die zur sogenannten Perlenkette gehören. Die vier Polder-​Bauten, die alle von einem anderen Architektenteam gestaltet wurden, sind in den 90er Jahren geplant und ca. 2003 fertiggestellt worden. Man kann sich darüber streiten, ob sie nun architektonisch gelungen sind oder nicht.
Ich bin da etwas zweigeteilt. Eigentlich finde ich die vier U-​förmigen Bauten, die fast über die Elbe ragen und alle dem gleichen Schema folgen, nur nicht in Farbe und Material, nicht besonders gelungen, denn sie versperren den Blick auf die Elbe.
Andererseits finde ich es interessant, wie vier eigentlich grundverschiedene Bauten aus dem gleichen Grundriss entstehen konnten. Am gelungensten finde ich das Haus vom Berliner Architektenbüro Grüntuch/​Ernst (das zweite von der Stadt aus), das besonders im Dunkeln sehr futuristisch aussieht mit seinen durchsichtigen Lift– und Treppentürmen. Dagegen ist das erste Gebäude der Reihe mit Backsteinverblendungen und herauskragenden Balkonen nicht besonders originell. Es soll sich an den alten Speicherblock anpassen, was im aber nicht gelingt.
Etwas Gutes hat die gesamte Polder-​Bebauung dann doch, finde ich. Sie hat neue Plätze geschaffen, auf denen man bei seinem Weg an der Elobe entlang sich ausruhen kann, wie die vielen Stufen, die zum Wasser führen und regelrecht zum hinsetzten einladen. Dort lässt sich die Aussicht auf die Elbe am besten genießen. Und was man bei so einem Blick dann im Rücken hat ist ja auch irgendwie egal, oder?

Kann mostro nur laut zustimmen: Archítektur in Hamburg ist eine Schande für alle, die schöné Dinge mögen. Klar gibt es immer die Betonköpfe, die das spannend finden und Stahlrohre und Glasfronten im XXXXL-​Format toll finden, Bush-​Fans, die meinen, Großstädte bräuchten Skylines — aber die sind in der Minderzahl. Ärzte heilen nach Bedarf Krankheiten, Bäcker backen Brötchen, wie sie die Kuinden verlangen — warum fangen nicht endlich, mal die Architekten an und bauen Häuser, die der breiten Masse gefallen?
Wahrscheinlich, weil hier ein Moedstrudel herrscht und keiner ausscheren darf aus den dicht geschlossenen Reihen, sonst gibt es keine Preise — und wie in der diktieren einige wenige, was Kunst sein soll und was die reichen Spekulanten kaufen sollen, bzw. wie die reichen Firmen bauen sollen.
Das Ufer am Hafen ist eindeutig verschandelt worden, es könnte zwar noch schlimmer kommen — aber uns das als gezielte Verschönerung oder gar als Perlenkette anzudrehen, ist eine Frechheit und kann nur mit geistiger Geschmacksverirrung begründet sein, Herr Oberbaudirektor!

Der Begriff Architektonische Perlenkette wurde meiner Erinnerung nach von einem Hamburger Bausenator geprägt, den man auch Beton-​Eugen nannte. Er war, ebenso wie die zeitgenössischen Architekten und die meisten Mitpolitiker, der Meinung, Hamburg brauche an der Waterfront eine Skyline mit zeitgemäßer Architektur. Klare Sache: Hamburg war vorher ja auch potthässlich. Überall grüné Wiesen, Bäume am Elbufer, dazwischen noch pittoreske alte Hafenanlagen oder verfallende Schuppen, in denen man nur Tatort-​Folgen drehen konnte. Natur und Geschichte, das alles warf keinen Profit ab. Also verscherbelte man das zentral gelegene Baugelände am Elbstrand an Investoren und gab vor, dass die Bebauung ebenselbige Perlenkette erzeugen müsse, die Hamburg Prestige bringen solle, so wie London die Docklands.
Das Entstandene stimmt beim Vorbeifahren (mit dem Schiff) nur traurig und manchmal wütend. Die angeblich so hochrangigen und kreativen Archtiekten haben in ihrer ausufernden Uferkreativität geschafft, mehrere gleichförmige Quader nebeneinander zu setzen, die jeweils den Charme eines Nierentisches der 1950er haben — oder vielleicht die Lieblichkeit von Gropiusstadt? Kein Rundung begegnet den Wellen des Wassers, keine Asymmetrie fügt sich in die Landschaft des unregelmässigen Elbhanges ein, kein Durchbruch nimmt das Grün der Wäldchen dahinter auf — man hat einfach nur irgendwie hingeklotzt, sich wieder gegenseitig (in den jeweiligen Juries sitzend) Architekturpreise zugeschanzt, dem Volk per gekaufter Presse wieder einmal gehirnwäschemäßig eingbleut, dass das eben der zu befolgende und honorierende Trend der Zeit sei (1935 gab es auch einen Trend der Zeit) und abkassiert.
Ähnlich läuft es auch in der Hafen-​City, wo man das Spiel auf unendlich größerem Gelände treibt. Und wie immer erzieht man die Menschen dazu, nicht mehr in Frage zu stellen, ob sie etwas schön finden, sondern versucht ihnen verdummend klarzumachen, dass Weltstädte eben Wolkenkratzer brauchen — und gesichtslose Betonklötze.
Komisch nur, dass die meisten Deutschen angeben, sie würden am liebsten in Venedig oder einer alten französischen oder italienischen Stadt leben.
Wieder wurde eine große Chance vertan, Hamburg attraktiver zu machen, einzig positiv an diesem Ort ist, dass man die Spaziergänger immerhin vor und nicht hinter den Gebäuden am Wasser entlang spazieren lässt.