Paladar Latino

Klein u. unscheinbar — muss nicht schlecht sein.
Ich gehe rein.
Von der Breite her wie eines der 70-​er Jahre-​Badezimmer bei einer Wohnungsbesichtigung, wo man gleich den Gedanken hat: «Wie soll ich mich hier drehen ohne mit dem Hintern an beiden Seiten der Wand zu schubbern?!»
Neben dem ultra-​schmalen Gang der TRESEN — zugestellt mit 15 Suppen-​Bechern und Tellern, die von einer Mitdreißigerin aus Lateinamerika (?) mit einer großen Kelle aus einem 10-​Liter-​Suppentopf aufgefüllt werden und so Einiges danebenläuft.
Auf der anderen Seite ein kleiner Wandtresen (ca. 25 cm tief) für Gäste aus der Wand ragend, wo ca. 15 offene grüné Plastiktüten (die man beim türkischen Gemüseladen für die Waren bekommt). Dort packt ein gestresster Mann die Suppen-​Becher und Teller rein. So hektisch wie auf dem Großmarkt. Keine Freundlichkeit zu spüren. Vor dem Tresen isst eine Latina, ein, für mich persönlich über-​riechendes, Gericht. Wohl Rippchen mit Reis, aber die Rippchen haben eine komische Farbe, kaum Fleisch und sehen trocken aus.
Also frage ich die Frau hinter dem Tresen: «Habla usted alemán?» (Sprechen Sie deutsch?)
Sie antwortet: «Habla usted espanol?» (Sprechen Sie Spanisch?)
Na super, denke ich und antworte: «Si, un poco…» (Ja, ein wenig.)
Die Frau gibt mir eine verschmierte, klebrige «Karte» und sagt:
«Nuestra carta.» (Unsere Karte.)
Vorne auf Spanisch — Rückseite auf Deutsch.
Die Gerichte hören sich nicht gerade schmackhaft an und kosten alle 10 bis 12 €.
Ich finde etwas, was preislich nach einer Vorspeise aussieht und da ich jetzt nicht den Mordshunger habe, bestelle ich das, weil es das Einzige ist, was nur 3 Euro kostet (AREPA CON QUESO). Sie erklärt auf Deutsch (Wow, sie kann deutsch!), dass das ein Mais-​Fladen mit Käse ist.
DAS hört sich doch positiv an. Den nehme ich.
Laut ihren Angaben dauert es 10 Minuten bis er fertig ist.
Der wird bestimmt frisch gemacht. Bin gespannt.
Gleich darauf befiehlt sie einer schwarzen Frau meine Bestellung zu bearbeiten. Diese wirft ihr Dschungel-​Messer zur Seite, mit der sie gerade 30 Kochbananen professionell «getötet» hat und holt etwas aus dem Schrank unter dem Tresen und legt es auf den Herd.
Auf DIESEM Herd liegt eine Platte mit Alufolie bedeckt und darauf ein kleiner blasser 1 cm-​dicker Fladen vom Durchmesser 15 cm, der angeblich «meine Bestellung» sein soll. So traurig, aber bestimmt schmeckt er hervorragend. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Nach gefühlten 20 Min. — die Frau füllt die Suppe immer noch für diese Mega-​Bestellung auf und sagt mir (ich fragte sie), dass die Bestellung für ein Gebäude in der Nähe ist (wohnen da nur gebrechliche Latinos, die nicht mehr gut zu Fuß sind?) und es anfängt verbrannt zu riechen, frage ich, ob es möglich wäre den bestellten Fladen zu kontrollieren.
Sie «rettet» den Fladen und werkelt erneut 5 Minuten an ihm herum (ich sehe nicht was sie macht). Dann gibt sie mir eine Tüte. Ich bezahle, drehe mich, schubbere dabei mit meinem Hintern an der Wand auf der anderen Seite und verlasse das Lokal.
Draußen versuche ich das Mikro-​Gericht zu essen. Drinnen essen ging ja nicht, weil der Kerl ja immer noch die Mega-​Bestellung zusammensortierte und damit den gesamten Kunden-​Tresen besetzte.
Auf dem warmen Fladen, der unheimlich schwer zu greifen ist, weil er sich ständig verbiegt, liegen ein paar weiße Krümel die dabei ständig runterfallen. Ist das «Käse» (Analog-​Käse oder digital? Haha.)
Nervig — unmöglich zu essen. Doch dann schaffe ich es einen Bissen zu nehmen und mein Mund verzieht sich wie bei dem Gedanken an eine Wurzel-​Behandlung.
Trocken, geschmacklos und krümelig. Die weißen Käse-​Krümel obendrauf, die natürlich nicht mehr drauf liegen, sondern im Teller, schmecken nach einem komischen schnittfesten Quark.
Die Menükarte, die draußen an der Wand hängt, erzählt von irgendwelchen Salaten und anderen tollen Dingen. Aber soweit ich mir erinnere, habe ich diese Sachen nicht auf der klebrigen Karte entdecken können. Sind meine Augen so schlecht?
Ich bin echt immer dabei, wenn kleine Lokale Unterstützung brauchen, aber bei diesem LOKAL (wenn man es überhaupt so nennen darf) bin ich mir nicht sicher, ob es an Unterstützung etc. interessiert ist. Vielleicht leben die nur von den großen Bestellungen an irgendwelche Latinos der Umgebung, die diese Gerichte von Klein-​Auf kennen und schätzen und das reicht, um einen akzeptablen Umsatz zu erreichen.
Ich mag es etwas geräumiger (wo man sich bewegen kann), etwas sauberer, freundlicher leckerer. Übrigens habe ich eben AREPA CON QUESO gegoogelt und eigentlich sind das leckere Maisfladen, in denen DRINNEN geschmolzener Käse ist und keine doofen Krümel.
Hätte ich doch DAS bekommen, hätten sich die 3 Euro gelohnt.
Für mich wird es nicht noch einen Besuch geben.
Aber es ist nur MEINE Meinung und MEIN Geschmack.
Es gibt Menschen, die mögen dieses chaotische, verschwitzte, schmuddelige Ambiente.
Ich empfehle mich und gebe ab ans « Unilocal-​Team».