Wohnstadt Carl Legien

Gartenhöfe! Farbe, und zwar Blau und Gelb! Ums Eck gehende Fenster!
Wann immer mich mein Weg durch die Wohnstadt Carl Legien führt, freu ich mich. Freu mich an den Farben und Formen, staune, dass man Wohnhäuser auch so bauen kann und geniesse das Gelb der Aussenfassaden.
Wie es wohl ist, hier zu wohnen? Ruhig wirkt die Nachbarschaft, nichtmal Geschäfte kann ich viele ausmachen, nur an den Rändern hin zu den Achsenstrassen hin, an der Prenzlauer etwa. DieGartenhöfe gefallen mir gut, und die abgerundeten Eckfenster sowieso.
Carll Legien also, wer war das noch gleich? Die Siedlung wurde dem ersten Vorsitzenden des 1919 gegründeten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes benannt, eine Arbeitersiedlung also. Geplant hat sie übrigens Bruno Taut, der auch hinter der Hufeisensiedlung in Britz und Onkel Toms Hütte steckt, daher kommt mir die Art also bekannt vor!

auch wenn die siedlung nach der sanierung schön anzuschauen ist, tut es mir fast weh dort langzulaufen. vor der sanierung gab es in den geräumigen innenhöfen lauter kleine schrebergärten, liebevoll von den anwohnern geplegte, sehr individuell gestaltete parzellen. die wurden einfach ausradiert.
alles schick und poliglott. wie schön

Wer bisher hier schreibt, wohnt hier wahrscheinlich nicht.
Die Architektur ist durchaus besonders und äusserlich tatsächlich sehr originalgetreu saniert worden. Aber was das Innere und der Umgang seitens der Vermieter angeht, sehnt sich jeder nach der Gehag zurück.
Das Hauptproblem stellen die unzureichend sanierten oder erneuerten Fenster dar. Jahr für Jahr kommt es zu erheblicher Kondenswasserbildung gefolgt von Schimmel und Farbabblätterung an den Fensterrahmen. Die Mieter werden mit Farbübertünchen hingehalten und jedes Jahr geht das Spiel von vorn los. Die Heizungen rauschen bei vielen Mietern. Mietminderungen werden mit erfolglosen Räumungsklagen beantwortet usw. Das Weltkulturerbe geschändet — so ist die innere Realität.

Tolle Architektur, wenn ich in der Nähe bin radel ich immer wieder gerne im Zickzack durch die Häuserreihen.

Eigentlich ist schon alles Wissenswerte gesagt. Der neue Anstrich ist überzeugend und die Häuser haben ihren Charme zurück. Das die Mieten so nach oben gingen, liegt sicher auch an der recht ruhigen und wirklich grünen Lage. Schöné Bilder findet ihr auch im Spyyfernseher unter
.

Der Bezirk Prenzlauer Berg ist allseits beliebtzum Ausgehen und Wohnen — es lohnt sich in das östlich gelegene Quartier abzubiegen, mal abseits der Trampelpfade.
Führungen durch die Siedlung Carl Legien werden, seit sie zum UNESCO-​Welterbe ernannt worden ist, regelmäßig angeboten und erleichtern die Betrachtung für Ungeübte. Hier stehen Loggien und gerundete Balkone mit den kubischen Bauformen der in U-​Form angeordneten Häuser im Kontrast.
Es handelt sich um Bruno Tauts letzte Großsiedlung und die urbanste und kompakteste unter den Berliner Wohnsiedlungen aus der Weimarer Zeit. Grünflächen sollten der Erholung dienen, allerdings traten an die Stelle von kleinen Reihenhäusern die Etagenwohnungen.
Die Wohnstadt ist mittlerweile vollständig saniert — mit manchem Schlucken durch die Denkmalpflege genehmigt. Leider wieder ein Spagat zwischen Denkmalschutz und moderner Lebensqualität, der allerdings aber auch positive Blüten getrieben hat:
Das ehemalige Waschhaus der Siedlung durfte nicht abgerissen werden — jahrzehntelang hatten hier die Mieter ihre Wäsche gemangeltum gleichzeitig das Bedürfnis nach reger Kommunikation zu befriedigen. Nun ist auch hier alles saniert und bald zieht ein Teil des Bauhaus-​Archives in die Räumlichkeiten. Wo passt eine Dokumentensammlung über Baugeschichte besser hin als in eine preisgekrönte Architektensiedlung. Spannung pur!
Der Namenspatron Carl Legien war Politiker und Gewerkschaftsführer, lebte von 1861 — 1920.