Nadim Baba Chicken Gemüse Haus – Friedenau

Dönerläden haben in Berlin die gefühlt gleiche Dichte wie das Restaurant «Zur goldenen Möwe» in Manhattan. Viele dieser Läden sollten schleunigst wieder geschlossen werden. Viele veranlassen mich aber dazu, meinen Dönerkonsum in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen. Ich pflege schon sehr lange diese innige Beziehung zur türkischen Brottasche. Nach der Muttermilch kam der Döner und wenn irgendwann selbst einmal die Dritten nicht mehr wollen, werde ich ihn mir pürieren lassen.
Diese Abhängigkeit mag auch darin begründet sein, dass ich in Reinickendorf als 51er Playboy groß geworden bin, dort und im Wedding Fußball gespielt habe und über einen sehr multikulturellen Freundeskreis verfüge. Hier kannst du gar nicht anders, als an jeder Ecke den Duft von gebratenem Kalbfleisch, Zwiebeln und Soße stinki-​stinki zu inhalieren.
An dieser stelle möchte ich für meine Eltern eine Lanze brechen und bin ihnen ewig dankbar, nicht unter einer Tofu-​Dinkel-​Glocke, hermetisch von allem Bösen wie Currywurst, Pommes, Döner, Pizza und Burger abgeriegelt, aufgewachsen zu sein. Mama war nicht immer erfreut, wenn ich mir nach der Schule einen Döner reingezogen habe, obwohl ich genau wusste, dass es zuhause frisches Essen geben wird. Aber sie war stets nachsichtig und ließ mich meiner Sucht frönen.
Neben der Bierlaube (
) und unweit des großen Bruders (
) gibt es nun eine weitere Neueröffnung zu verzeichnen: das «Nadim Baba Chicken Gemüse Haus».
Der Name ist schon mal absolut geiles Teunglisch (türkisch-​deutsch-​englisch) und dürfte unserem werten Außenminister Schwesterwelle die Schweißperlen auf die Stirn treiben, sollte er einmal in seinem Leben den Namen aussprechen müssen. Ich hätte die Bude ja «Nadim Baba Hähnchen Vegetable Haus» genannt. Oder doch lieber «Nadim Baba Chicken Gemüse Ev»? Ach, ich weiß es nicht.
Gleich wie der Laden nun heißt, ist positiv herzuheben, dass es hier im Kiez nun überhaupt einen zweiten Dönerladen gibt. Noch viel positiver ist, dass er einen typischen, von the one and only mike-​o-​rama (
) oft brilliant beschriebenen Glutamat-​Chinesen abgelöst hat. Nun muss nur noch diese unsägliche Bio-​Feinkost-​Hütte von einem türkischen Patriarchen böse angeguckt werden, damit sie ihre Segel streicht und einem weiteren Döner-​Tempel weicht. Oh yes, das wäre superb, wallah! (Dieser Satz diente nur der Wiederaufnahme des Teunglischen in diesen Text und enthält keinen tieferen Sinngehalt. Entschuldigung. Özür. Sorry.)
Das Eröffnungsangebot, einen Döner für einen Schekel fünfzig zu bekommen, veranlasste mich zu einem Besuch. Wie der Name es schon sagt, bekommt man hier im Vergleich zum Pendant in der Cranachstraße Hähnchen anstatt Kalbfleisch. Im Brot befinden sich dann auch neben dem üblichen Grün– und Rotzeug noch Kartoffel und Käse. Als der nette Herr zum Abschluss eine Zitrone über meinem Döner ausdrückte, musste ich schmunzeln. Genau dieser Döner war doch vor einigen Jahren das Erfolgsrezept von Musti am Mehringdamm, der heute immer noch locker mit der Schlange von Curry ⁰⁸⁄₁₅ mithalten kann. Zu Recht.
Natürlich musste ich gleich mein Maul aufreißen und den Dönermeister auf die Ähnlichkeit ansprechen. Er grinste kurz und erzählte mir, dass Musti bei ihm früher in der Kantstraße gelernt habe. Ob das der Wahrheit entspricht, möchte ich nicht beurteilen. Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Musti oder Nadim Baba damals in der Kantstraße? Pest oder Cholera? Schwabe oder Badner? Sekt oder Selters?
Mir egal, der Döner war lecker und an der Größe wurde ob des Eröffnungspreises auch nicht gespart. Abgerundet wurde der Besuch durch das nette Gespräch zwischen Dönerfachmann und Dönervernichterfachmann.
Mittlerweile erhärtet sich mein Verdacht, dass sich mein Umzug nach Friedenau bei den Anbietern proletarischer Köstlichkeiten herumgesprochen hat. Den Bioblödsinn jagen wir auch noch in den Prenzlberg. Tamam? Evet, tamam!