Bezirksamt Mitte / Rathaus Tiergarten

Ja werd ich denn bekloppt? Der nächste freie Termin zur Ummeldung ist erst in zwei Wochen? Was, wenn ich bis dahin gar nicht mehr lebe? Dann haben die Damen ja Leerlauf! Nein, das kann ich nicht zulassen!
Freitag, 9 Uhr, Termin vereinbart. Eine der besten Entscheidungen in meinem ganzen Leben (was Ämter angeht). Warum ich zwei Wochen warten musste, wird schnell klar. Volle Hütte plus lange Schlange zum Nummern ziehen, welche bereits nicht mehr ausgegeben werden am heutigen Tag. Nummer blinkt auf, 9 Uhr, pünktlich
Ich vollverpeilter Mensch habe doch tatsächlich gedacht, alles würde auf Anhieb glatt gehen. Sie wollen nen neuen Ausweis und sich ummelden? Na dann brauch ich den Mietvertrag. Ähhh Nicht bei? Wohnen se weit weg? N-​n-​neeeMein Leben rast an mir vorbei. Sollte ich weitere zwei Wochen warten müssen? Täglich hoffen, dass mir nichts passiert. Macht nüscht. Holen se den Wisch und kommen gleich rein, ohne Umwege. Reality-​TV? Wo ist die Kamera?
Zweiter Anlauf. Die Software streikt. Das alte Amt, bei dem ich gemeldet war, taucht nicht im PC auf. Schweißausbrüche! Sollte sich doch alles zum Schlechten wenden? 10 Minuten geht nichts, doch dann alles i.O. Ham wa nochma Glück jehabt, wa?! J-​j-​jaaaIch hab da noch einen Antrag zwecks Begrüßungsgeld. Bämm! So schnell hab ich noch nie einen Stempel stempeln sehen. Noch wat? AusweisMacht die Kollegin am Nachbartisch! ein freundliches Winken, dann Unterschriften und die Bezahlung. Schönen Tach noch. Ihnen auch
Kein Traum, keine U-​Haft nebenan. Ich bekam alles und das so freundlich wie nie zuvor! I Bürgeramt Berlin Tiergarten!

Hier ist Geschichte noch lebendig, können wir den Amtsschimmel in seiner Box noch wiehern hören. Und wie!
Ich mag diesen Ort, er ist noch stimmig, was eine Qualität an sich ist. Wurde noch nicht umgestimmt, verstimmt. Auch wenn er häufig genau dies mit all seinen Insassen tut.
Den temporären (wie ich) — tja, und den dauerhaften. Arbeitnehmer ist sicher richtig. Arbeitgeber nicht ganz.
Aber was haltet ihr von Arbeitmachern? Das klingt gut, finde ich.
Arbeit — wow dollet Ding, bei all der Rationalisierung. Und dann «macher» — klingt wie nach jemandem, der voll zupackt, nicht lange zögert.
Stimmt ja auch, meist machen wir die Arbeit und die schauen dann nach, ob alles richtig ausgefüllt wurde. Ändern, was noch geht oder schicken einen nochmal zurück — was Arbeit macht. Ansonsten wird quick eingegeben und schwups — isset fertich, das Verarbeitungswunder.
Wirtschaftsflunder. Man wird hier Kohle verprasst und entwertet! Aber das wertet diesen Ort nicht ab. Denn er ist eben dadurch ein Wunder des Überlebens Neuerer Geschichte.
III. Reich (
) + trifft auf Orient. Für die Menschen aus anderen Kulturen muss dies entweder eine Erinnerung an ein fieses Zuhause, dem man noch gerade lebendig entkommen konnte sein oder ein völlig unverständliches Relikt vergangener Zeiten der hiesigen Kultur. Mit dem BMW schnittig vorgeprescht um dann im Morast der Paragraphen, Vorschriften und Formulare zäh und flüssiges Blei atmend zu versinken.
Und wer eben dieses Flair Deutscher Geschichte und Tugend atmen möchte, ohne museal aufbereiteten Unterichtseinheiten beiwohnen zu müssen oder Dinge vom Hörensagen in den Kopf zu stecken — kommet her und staunet!
Es gab sie wirklich! Ein paar Flure in den oberen Etagen abwandern und die Zeitreise ist rund.
Nur die Bildschirme wollen nicht so recht ins Bild passen. Werden aber über kurz oder lang ihr gegenüber nach und nach aufsaugen und zu Algorithmen verarbeiten. Und alles automatisieren.
Nur — was bleibt dann in dem Gebäude?
Ein Museum vielleicht…

Samstag, 12.35 Uhr. Lange Wartesschlange im Bürgeramt zur Ausgabe von Wartenummern. Endlich nach 10min bei der Ausgabe angekommen, erfahre ich, dass heute keine Nummern mehr ausgegeben werden. Halbe Stunde Weg umsonst gemacht, kein Hinweis o.ä. vor Ort noch auf der Webseite. Eine Stunde umsonst für Weg vertrödelt und unnötig Nerven gekostet.