Im Jahre 1982 hatte der Rentner Osman Kalim genug davon, zu Hause untätig rumzusitzen. Also begann er ein Projekt, welches in der Weltgeschichte wohl einmalig ist: er besetzte in Kreuzberg im Schatten der Mauer geschätzte 350 Quadratmeter Grenzgebiet der DDR und begann mitten im kalten Krieg damit, in aller Ruhe Obst und Gemüse anzupflanzen. Niemand interessierte sich für den Streifen Land, an dem die Grenze im Zickzack verlief und die DDR-Grenzer wurden auch erst auf Herrn Kalim aufmerksam als dieser damit begann, sich aus Sperrmüll zusätzlich eine kleine Gartenlaube zu bauen. In der Türkei darf man traditionell das Land behalten, auf dem man eine Hütte errichtet hat. «Gecekondu» nennt man das, erklärte Herr Engin den verdutzten Grenzern auf ihrem Wachturm, die nicht so richtig wussten, wie sie mit dem gewitzten Landbesetzer umgehen sollten. Drohungen von der Mauer runter halfen nichts. Als Engin den Grenzern auch noch treuherzig erklärte, er würde doch auf dem Kreuzberger Markt am Maybachufer mit seinen«DDR-Produkten» quasi Werbung für den Arbeiter– und Bauernstaat machen, verfolgte man den Grenzkonflikt unterhalb des Eisernen Vorhangs fortan mit zwei lachenden Augen gleichzeitig. Die Polizei aus dem Westen gab ebenfalls irgendwann auf, den störrischen Rentner von seinem Treiben abzubringen. An sich hatte auch niemand groß von der«Besetzung» Notiz genommen und die Grenzoffiziere schickten dem Landbesetzer zu Weihnachten dann sogar regelmäßig ein kleines Präsentpaket über die Mauer. So wuchs und gedieh das kleine Idyll am Mauerstreifen vor sich hin. 1989 kam die Wende und als die Bauarbeiter anrückten um die Mauer abzureissen waren sie leicht verdutzt als sie auf Osman Kalims Gemüsegarten stießen. Die Behörden wurden gerufen, aber Osman Kalim konnte sie mit Witz und Gerissenheit irgendwie abwimmeln. Da die Lage am ehemaligen Mauerstreifen zunächst unklar war, begann er auch sogleich, seinen Garten nach Osten zu erweitern. Aus der Laube wurde ein richtiges Haus, das Haus das Osman Kalim gebaut hat. Weiterhin bissen sich die zuständigen Ämter an Osman Kalim die Zähne aus, hier und da berichtete die Presse aus aller Welt über den merkwürdigen Grenzkonflikt und irgendwann gab man endgültig auf und ließ den Gemüsegarten Gemüsegarten sein. Heute ist Osman Kalim im hohen Alter, trohnt aber weiterhin gern mit prächtigem weißen Bart in seinem Reich und wir wollen diesem Berliner Original, dieser Kreuzberger Legende, ein wirklich langes Leben wünschen. Begraben werden möchte Herr Kalim übrigens nicht in seinem Garten. «In der Türkei Grab viel billiger», sagt er dazu trocken. Links: — Facebook Fanclub von Osman Kalim: — Deutschlandradio: Mauergemüse statt Mauerblümchen —