Soho in Ottakring

Das Brunnenviertel, das früher de facto kein wirkliches Viertel war, sondern im wesentlichen aus dem Markt bestand, ist in den letzten Jahren zu einem wahren Innviertel geworden und quasi die Ausweitung des siebten Bezirks geworden. Wobei, dadurch, dass es hier noch immer sehr bunt gemischt ist und nicht lauter Leute, die Grün-​Wähler auf der Stirn stehen haben, ist es mir doch etwas sympathischer. Das heißt nicht unbedingt, dass ich was wegen den siebten habe, aber In-​Bezirke werden mir irgendwie schnell unsympathisch.
Seit einigen Jahren findet man jedenfalls viele Austellungen in leeren Geschäftslokalen, Performances, Konzerte und viele nette Lokale rund um den Yppenplatz und gerade bei den Soho-​Festivals ist hier wirklich die Hölle los und man könnte fast den Eindruck kriegen, dass es hier sowas wie ein multikulturelles Miteinander gibt.

Soho in Ottakring ist ein einmonatiges Kunst und Kulturfestival im Brunnenviertel.
Das belebte Viertel blüht dann immer besonders auf, es gibt viele Austellungen in leeren Geschäftslokalen, Performances, Konzerte, Gemeinschaftsessen und was den Leuten halt sonst noch jedes Jahr einfällt.
Im Ragnarhof sind dann oft Parties udn bei der Eröffnung trifft man sowieso die ganze Wiener Alternativ und Kunstszene, alle sitzen auf den Straßen und an den Marktständen, die türkischen Familien kochen und verkaufen Snacks und die Stimmung ist super.
Angebrachterweise kreisen die Themen des Festivals um Mulitikultur, Migration und soziale Problematiken im allgemeinen.
Die Kunst ist so ein bisschen, was ich als Sozialarbeiterkunst bezeichne, wie schon erwähnt wurde, nicht immer am höchsten Niveau, aber toll ist das Ding in seiner Gesamtheit auf jeden Fall.
Besonders nett finde ich zb. die Führung über die Ottakringerstraße, wo eine Frau mit Megafon einem die ganzen Balkanlokale erklärt, man überall eine Kleinigkeit trinkt und dann in einen der Clubs feiern geht,
weil das Konzept, sich als Tourist durch die eigene Stadt zu bewegen und nicht in irgendwelchen Szenen steckenzubleiben, ein bisschen meiner Lebensphilosophie entspricht.

1998 erhob das heruntergekommene und heruntergewirtschaftete Brunnenviertel den Anspruch, zumindest einmal im Jahr zwei Wochen lang zu einem kleinen SoHo zu werden: einem lebendigen, alternativen Künstlerviertel, das seine Gegenwart und Vergangenheit jedoch nicht vergessen hat. Anders formuliert: zu einem Viertel, wo sich Künstler, Arbeiter und Migranten den urbanen Raum teilen und sich — im besten Falle — gegenseitig beeinflussen. Mit einem Wort: Gentrifizierung.
Ich weiß nicht, ob man damals schon vermuten konnte, dass das Viertel rund um den Yppenplatz eine Vorreiterrolle in Sachen Wiener Gentrifizierung einnehmen würde. Jedenfalls prägte das Festival im Laufe der Jahre das Bild eines neuen Ottakrings und zeigte, dass Gentrifizierung — zumindest einmal im Jahr — eine echte Annäherung von an sich so verschiedenen Gesellschaftsschichten bedeuten kann.
Von Soho in Ottakring darf man sich jedes Jahr zumindest eines erwarten: politische, gesellschaftskritische Kunst. Diese findet in Kunsträumen und Galerien des Viertels statt, die sich heute noch etwas außerhalb des Etablissements positionieren. Die Grundsteingasse und der Yppenplatz werden am Eröffnungsabend (einem Samstag im Mai) zur Flaniermeile für ein junges, mehr oder weniger alternatives Publikum. Alle Lokale und sogar Marktstände haben an diesem Tag überlange Öffnungszeiten. Man kann ziemlich überall auf kleine Ausstellungen, Parties (Ragnarhof!), Koch– und Kunstperformances stoßen.
Es lohnt sich immer, die verschiedenen Veranstaltungen auf der Webseite zu checken, bevor es losgeht. Einmal dort, lässt man sich aber meist vom Geschehen treiben und die Nacht kann sehr lang werden.
Soho in Ottakring steht vielleicht nicht für Kunst auf höchstem Niveau, aber zwei Wochen lang beschäftigt man sich auf kreative Weise mit den wichtigsten Themen dieser Stadt. 2010 hieß die Devise: «Kick the habit — pfeif’ drauf! Ventil Rassismus». Künstler beschäftigten sich mit der Frage nach der Selbstverständlichkeit, mit der man rassistische Gesichtspunkte zu ihren eigenen macht. Angesichts des aktuellen Wiener Wahlkampfs eine durchaus gerechtfertigte Frage.
Den Eröffnungsabend sollte man keinesfalls verpassen. Während der nachfolgenden zwei Woche empfiehlt es sich wirklich, immer wieder einen Blick ins Programm werfen.
Ottakring at its best!