Dr. Axel Urban

Diagnose: Erkältung! Volkskrankheit Nr.1! Tagtäglich sterben mehrere tausend Menschen an diesem heimtückischen Infekt. Doch wie bekämpft man es? Wie kann man sich schützen vor eine Bakterie, welche die gesamte Welt zum Kollabieren bringt und sie kurz vor den Exitus führt? Wir, ihre führende Tageszeitung Deutschlands, sehen es als unsere journalistische Pflicht, sie vor dem qualvollen Tod mit 10 nützlichen Tipps zu bewahren.
Ja, so ungefähr würde es klingen, wenn unser aller Lieblings-​Druckprodukt mit den 4 Buchstaben darüber berichtet. Doch erstens bin ich nicht kurz davor, meine letzten Atemzüge zu tätigen und zweitens vertraue ich lieber den Ratschlägen meines Hausarztes, bevor ich einen Regentanz um das Axel-​Springer-​Verlagshaus aufführe, da es ein altes Ritual der Inkas ist, welches die Lösung des Schleims bewirkt und ewige Jugend verspricht.
Doch komme ich nun zu eben jenem Hausarzt, welcher mir schon seit Jahren die heilenden Hände über das Haupt hält, wie es auch heute der Fall war.
Kurze Beschreibung: Erkältung mit Fieber und Reizhusten, wobei letzterer zur einer schlaflosen Nacht geführt hat.
So kam ich nicht drum herum, heute früh die Praxis von Dr. Urban anzurufen. Man siehe da: Ich durfte sogar gleich vorbei kommen.
Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und darum ging’s im Eiltempo ein paar Straßen weiter zum betreffenden Gebäude, von welchem im Falle wie diesem scheinbar ein heiliges Strahlen ausgeht. Innen allerdings kommt das Gefühl auf, als sei man in der Zwangsjacke eingepackt in die Irrenanstalt geschickt worden.
Wie für kleine Landpraxen üblich, scheint man auch hier in den 60ern stehen geblieben zu sein: Die Wände weiß-​gräulich, im oberen Abschnitt jener jedoch die Aneinanderreihung dieser furchtbar bräunlich-​gelben, verschwommenen, quadratischen Fenstern, wie man sie sonst nur in Pathologien vorfindet. Aber man sehe und staune: Am Empfang steht ein Computer! Puh, ich bin zu meiner Erleichterung doch noch im 21. Jahrhundert. Diese Freude wird allerdings schnell wieder zunichte gemacht, denn kurz nach dem Satz der freundlichen Arzthelferin Setzen Sie sich doch kurz hin, wir rufen Sie gleich auf, welcher üblicherweise einem Gutschein für einen Schlafsack gleichkommt, erblickte ich die Stühle, welche den Anschein vermochten, sie hätten beide Weltkriege überlebt. Wer das tut, der tut’s auch noch für die nächsten hundert Jahre, dementsprechend waren sie zum Glück recht stabil.
In diesen Momenten wird bei drittklassigen Komödien gerne eine Uhr gezeigt, welche einen Wimpernschlag später schon eine andere Zeit aufweist. So muss man sich das ungefähr bei mir vorstellen, allerdings nicht mit einem Wimpernschlag, sondern mit dem Schritt einer Schildkröte. Und da die Leseauswahl durchaus begrenzt und das Wartezimmer gut gefüllt ist, durfte ich eine Stunde lang in den übrig gebliebenen Micky-​Maus-​Heften blättern und u. a beobachten, wie Donald Duck in einen LKW mit Teer geflogen, dessen Fahrer, abgelenkt vom Geräusch, in einen Hühnerhof rein gerast ist. Den Rest kann man sich selber denken. An Realitätsnähe kaum zu überbieten. Ist schließlich jedem von uns bestimmt einmal passiert. Ein Comic, der ergreift und zum Nachdenken anregt
Mit dieser überaus depressiv stimmenden Geschichte wurde ich schließlich in den Behandlungsraum gebeten. Hier saß auf dem majestätisch anmutenden Sessel Dr. Axel Urban. Jahrelang am Gehstock gereift, mit einer leicht bitteren Note, jedoch süßlich im Abgang.
Mit graziöser Eleganz holte er den Holzstab aus dem Becher und setzt ihn auf meine Zunge auf wie ich mit dem Hammer, wenn ich Hackfleischbällchen zubereite. Dazu einen kurzen Abstecher in den Rachen, damit auch ein kleiner Würgreiz zu verspüren ist. Wenn schon, denn schon lautet hier die Devise. Kurz darauf mit den Fingern die Schläfe eindrücken und die Luftröhre verschließen, nur um dann die allseits beliebte Frage Tut’s hier weh? zu stellen. Ja, das liebe ich. So was nennt man Erlebnisdiagnose. Zum Schluss noch das bekannte Stethoskop, welches wohl immer kurz vor seiner Anwendung ins Eisfach gelegt wurde. Jetzt kenne ich endlich die Herkunft des Sprichwortes jmd. einen kalten Schauer über den Rücken jagen.
Danach begibt sich Axel wieder langsamen Schrittes zu seinem Schreibtisch. Noch kurz das TicTacToe-​Feld ausgefüllt, bringt er nun auch die benötigten Medikamente auf’s Papier, jedoch nicht, ohne mir davor nicht noch ein paar Lebensweisheiten auf den Weg mitzugeben: So sind Nasentropfen kontraproduktiv und Hochziehen besser als Schnäuzen, da durch ersteres der Schleim seinen natürlichen Kreislauf wieder finden und verschwinden wird, wohingegen letzteres lediglich der Beseitigung der Stoffe im vorderen Bereich der Nase dient. Dies wird wohl höchstwahrscheinlich stimmen, ist allerdings geradezu eine Steilvorlage für Kinder. Was die sich freuen würden! Ist eine ähnliche Theorie wie Schluckt euren Kaugummi herunter, er kommt sowieso irgendwann als Endprodukt wieder raus. Wie gesagt, im Prinzip dasselbe, doch