Bäckerei Michael Lehmann

Manche stellen sich ja immer noch die Frage: «Wird der Osten den Westen doch noch besiegen? Und wenn ja, wie?»
Mit dem Trabi hat es nicht geklappt. Rotkäppchen Sekt liegt noch ganz gut im Rennen und Spreewälder Gurken sind Geschmacksache.
Gestern allerdings habe ich die ultimative Waffe gegen den ausgehungerten Westaufbäckereibesucher entdeckt. In einem Ort vor den Toren Berlins an einer schon fast typisch märkischen Landstraße mit pitoresk vor sich hin siechenden Katen, Schlaglöchern und einem erschreckend hohem Maß an nichts, lockten eine Reihe von mit Kreide beschriebenen Werbetafeln mit verschiedensten Leckereien.
Die Lust auf frisch Gebackenes und der Hunger auf etwas Gutes verführten mich in dieses kleine Bäckereigeschäft, in welchem ein unwirklich schlanker Bäcker echte Gaumenfreuden feilbot.
Hier wurde nichts aufgebacken oder mit Luft künstlich auf Megagröße gepumpt. Brötchen (hier Semmeln oder Schrippen) haben eine herrlich gefüllte Konsistenz, Brot duftet nach Backofen und der Kuchen in allen Varianten lud zum Schaufeln ein. Tellergroße Mürbteigplätzchen, Nussecken und Pfannkuchen (hier nicht Berliner), Zuckerkuchen, Obstkuchen, Joghurthschichtexotikschnitten mit leuchtend gelber Gelatinedecke, Vollkorn-​, Weiß– und Märkisches Mischbrot… Und alles zum Anbeißen lecker. Alles, was ich probierte und in meinem Wahn in mich hinein schaufelte, schmeckte nach mehr und ich musste am Folgetag und tags darauf wieder in eben diesen Bäckerladen und mich versorgen. Dies war auch schon deshalb möglich, weil sich allein die Preise in Grenzen hielten. So kostet ein Brötchen 18 Cent, ein Stück Kuchen 80 Cent und das tellergroße Mürbeteigplätzchen 65 Cent. Gut nur, dass das Ende meines Urlaubs in dieser Region auch das Ende meiner Einkäufe und Fresskarpaden bedeutete, sonst wäre ich sicher nicht nur dem Zauber dieser Handwerkskunst sondern auch einer ausgeprägten Adipositas erlegen… ;o)
Ich unterstelle dem Bäckermeister gewiss nichts Böses, aber die handgemachten Attacken auf unsere Geschmacksknospen aus diesem Hause sind unglaublich gefährlich für Westler, die das nicht gewohnt sind.