Schlosskirche

Von außen eine sehr schöné Kirche, innen ist leider bis auf die schöné Holzdecke und die Orgel nichts mehr übrig. Wird als Ausstellungsort benutzt. Zur Zeit unseres Besuches waren Holzplastiken ausgestellt (mir hat die Holzdecke besser gefallen).

Vilmoskörte hat hier ja bereits einen meisterhaften Beitrag abgeliefert. Ich selbst muß hier seine gute Bewertung einfach einmal bestätigen! Die Schloßkirche von Neustrelitz ist definitiv allgemein unterschätzt und vielerorts unterbewertet. Das mag einerseits daran liegen, dass das Schloßenesemble sein wichtigstes Gebäude, das Schloß, eingebüsst hat, andererseits vermutlich auch daran, dass Bauwerke aus der Mitte des 19. Jahrhundert bei den Kunsthistorikern oft als eher wertarm geleten. Fachworte wie Historismus werden dann oft herumgeklotzt, von der Prunksucht der Fürsten gelästert.
Dass hier eine wirklich schöné und vor allem einzigartige Kirche steht, die mir nicht nur gefällt, sondern mir durch ihren verwegenen Individualismus sogar in fester Erinnerung bleiben wird, das interessiert bei Dumont und Co. keinen so richtig, wie es scheint. Das interessante an der Kirche besteht für mich vor allem in ihren Proportionen und ihrer Ornamentalität. Die Kirche ragt in die Höhe wie eine Doppelnadel und dann ist sie zuende, hat man sie doch gerade betreten. Ein kurzer Hauptraum hinter einer Fassade, die als Vorwerk einer mächtigen Kathedrale dienen könnte. Ein echter Lausbubenstreich, könnte man meinen. Ein Potemkinsches Dörfchen am Schlösschen. Aber was für eines. Feine Ornamente aus Metall und Holz im Inneren lassen fern an manuelinisches Zierwerk auf der iberischen Halbinsel denken. Kein Wunder, dass die Künstler diesen interessanten Raum gern als Ausstellungsfläche, nämlich die Plastikgalerie, genommen haben!
Nun ja, der Großherzog Georg wusste damals, was gut war. Wie bekannt, beauftragte er den Schinkel-​Schüler Friedrich Wilhelm Buttel (1796 1869), der hier in der Region einige seiner Meisterwerke schuf, mit dem Bau. Und wie ich von vilmoskörte erfahre, hatte Herr Buttel tatsächlich ein Faible für portugiesische Baukunst und wollte die Kathedrale von Batalha (100 Km nördlich von Lissabon) nachahmen. Einen Pluspunkt für meinen kunshistorischen Blick (Eigenlob, bitte streichen, aber die Komplimentbuttons da unten bringen es nicht so richtig, also doch mal Eigenlob?).
Draußen fallen wie schon gesagt, die nadelartigen Türme auf, die wirklich sehr scnlank in den Himmel stoßen. ZWölf sind es, gemäß der Zahl der Apostel. In der Fassade finden sich Terracotta-​Figuren der vier Evangelisten (Markus mit dem Löwen,
Johannes mit dem Adler, Lukas mit dem Stier und Matthäus mit den Engeln), geschaffen von Albert Wolff (1814– 1892), dem bekanntesten Neustrelitzer Bildhauer. Die Schlosskirche wurde in hellgelbem Backstein ausgeführt, Buttels Lieblingsmaterial. Im Inneren sollte man sich wirklich Zeit für Ausstellungen aber auch einen guten Blick auf die geschnitzten Emporen nehmen. Es fällt nämlich beim genauen Hinsehen auf, dass der untere Teil einiger Pfeiler nicht so abgenutzt ist wie er sonst in Kirchensein müsste. Zunächst denkt man, dass das daran liegt, dass hier nur der Großherzog mit Gefolge zum Gottesdienst ging, und dass deswegen die Ornamente einmal nicht von rüden Dorfjungen abgerubbelt wurden. Aber dann sieht man, dass ein Teil der Pfeilerornamente aus Metall ist also deutlich resistenter als Holz. So ist dann der Erhaltungszustand erklärt.
Also: Die Schloßkirche sollte trotz erhobenen Eintrittes in jedem Fall bei einem Besuch Neustrelitzs nicht verpasst werden! Und dann zum Essen in die wunderbare Orangerie!