Verlag Die Abendzeitung

Fast wäre sie ja kürzlich verschwunden, die Abendzeitung. Denn das Blatt geriet in Insolvenz. Eine Rettung fand dann doch noch statt– es fanden sich Investoren. Aber es ist nur noch wenig so, wie es war.
Bereits seit Jahren residierte die Abendzeitung nicht mehr in ihrem angestammtem Domizil in der Sendlinger Straße, direkt neben der Süddeutschen. Nach einem Intermezzo am Rundfunkplatz befinden sich Verlag und Redaktion jetzt in der Garmischer Straße. Wobei letzteres nur zum Teil stimmt– denn das Blatt ist jetzt zum Teil «ferngesteuert», schließlich hat ein Straubinger Verlag sich zum Retter aufgeschwungen. Und dies hat unter anderem einen früheren Redaktionsschluss zur Folge. Auch das Format scheint mir kleiner geworden.
Ob die Abendzeitung an alte Traditionen anknüpfen kann? Man wird es sehen. Schließlich hat sie mit ihrer Mischung, einerseits kein hochintellektuelles Blatt zu sein (wobei das Feuilleton schon traditionell nicht von schlechten Eltern war), andererseits aber auch kein reines Boulevardblatt, Pressegeschichte geschrieben. Und mit Michael Graeter das Vorbild für Baby Schimmerlos geliefert.
Schön, dass die Abendzeitung gerettet werden konnte. Ob die Rettung ein Erfolg war, wird man sehen. Für die Presselandschaft wäre es gut, wenn die Abendzeitung weiter ihren speziellen Platz hat. Und schließlich bleibt nur derjenige, der sich ändert, sich letztlich treu.

Nachdem ich gestern den AZ-​Artikel über die Demonstration vom Wochenende gegen den Bau des Europäischen Islamzentrums gelesen habe, bin ich nicht mehr der Meinung, dass AZ und TZ in etwa gleichwertig sind. (Eine Parteizeitung müsste eigentlich kostenlos sein) Der Artikel und die Fotos waren stark rot gefärbt. Die Videos im Netz und auf YouTube über die Demonstration zeigen ein völlig anderes Bild, als von der AZ dargestellt. Die Kommentare zur Demo auf der Internetseite der AZ wurden schnell «Offline» gestellt. (weil fast alle Kommentare dem Artiklel der AZ widersprachen?)

Die Abendzeitung wird gern mit klassischen Boulevardzeitungen wie der Bild in einen Topf geworfen. Ich denke aber, dass man an dieser Stelle differenzieren muss. Die Abendzeitung ist ein kurzweiliger Ersatz zu seriösen Tageszeitungen wie der SZ. Klar, vielen Artikeln fehlt es an Substanz, da sie bspw. nicht so ausführlich sind wie anderswo. Zum halbwegs niveauvollen Informieren reicht es allemal und vor allem der Kulturteil kann sich sehen lassen.
Ein Freund von mir arbeitet schon seit Jahren für das Kulturressort der Abendzeitung. Und ich muss sagen, er ist einer der besten Schreiber die ich kenne, wenn es um Platten– und Konzertkritiken geht. Gerne bissig, aber immer fundiert schreibt über Lady Gaga genauso gut wie über Muse. Wer solche Schreiber hat, sollte sich nicht von dem Vergleich mit der Bild beleidigen lassen.
Mit anderen Worten: Die Abendzeitung ist in manchen Lebenslagen schon ganz okay. Platz wird es in der zukünftigen Presselandschaft für so ein Nischenprodukt möglicherweise nicht mehr geben.

Für viele dürfte die Abendzeitung wohl auf dem gleichen Niveau stehen wie die Bild. Ich finde, da sollte man aber schon ein klein wenig differenzieren. Denn selbst, wenn man es ihr auf den ersten Blick nicht ansieht, so find ich sie in manchen Aspekten dann doch irgendwie lesenswert.
Ich kauf mir die Abendzeitung vielleicht, wenns hochkommt, zwei– dreimal im Monat, wenn ich zuwenig Zeit für die SZ habe, aber doch wissen will, was in der Stadt und der ganzen Welt so passiert. Vom reinen Boulevard würde ich sie schon deswegen eher weg positionieren, da sie einen ziemlich umfangreichen Kulturteil hat. Für né gestandene kritische Tageszeitung fehlt es den Texten aber dann doch an Fülle.
Also eher was zum kurz durchblättern. Für ein ausgedehntes Frühstück am Morgen bleibt man dann doch lieber bei der SZ.