Matthäuskirche

Zur Kirche selbst wurde eigentlich schon alles geschrieben, die aktuellen Veranstaltung bleiben mir jetzt noch:
Pétur Sakari (Finnland) Am 07.04.2013 20.00 Orgelkonzert Matthäuskirche Orgelkonzert Nicolas Kynaston (London) Am 12.05.2013 20.00 Orgelkonzert Matthäuskirche Orgelkonzert Jane Parker-​Smith (London) Am 20.10.2013 20.00 Orgelkonzert Matthäuskirche Orgelkonzert Kalevi Kiviniemi (Finnland) Am 17.11.2013 17.00 Orgelkonzert Matthäuskirche Orgelkonzert Pierre Pincemaille (Paris, St. Denis) Am 08.12.2013 17.00 Orgelkonzert Matthäuskirche Orgelkonzert
Meiner Ansicht nach für jeden ein Erlebnis, auch wenn die Kirche sonst gemieden wird ;)

Der Heslacher Dom ist wiedereröffnet.
Die Industrialisierung und die damit verbundene Bevölkerungsexplosion in Stuttgart führte gegen 1850 zur Planung der vier großen Evangelistenkirchen: Johanneskirche, Lukaskirche, Matthäuskirche und zuletzt Markuskirche.
Die Matthäuskirche ist eine Auftragsarbeit der Stadt Stuttgart und ist 1890 in den Besitz der Gesamtkirchengemeinde übergegangen. Die Matthäuskirche war in der damaligen Karlsvorstadt die dritte Heslacher Kirche, die beiden alten Kirchen, die am Bihlplatz standen, wurden jeweils abgerissen. Beim Bau der Matthäuskirche entschied man sich für den romanischen Baustil, allerdings mit gotischen Elementen versetzt. Wenn man sich der Kirche von Westen her nähert, geht man auf drei Türen zu. Damit sollten die Besucher schon von außen erinnert werden, dass hier Gott als Vater, Sohn und heiliger Geist zu Hause ist. Besonders bemerkenswert ist auch das Kruzifix über dem Altar aus dem 15. Jahrhundert.
Wichtig war der Einbau von Emporen, dies sich an drei Seiten oben entlangziehen, um möglichst vielen Gottesdienstbesuchern einen Blick auf Kanzel und Altar zu ermöglichen. So ist eine Kirche entstanden, den die Heslacher, auch wenn selten alle 1.200 Sitzplätze belegt sind, heute liebevoll ihren Dom nennen und der ein wichtiges Wahrzeichen des Stadtteils ist.
1943 wurde die Matthäuskirche bei einem der zahllosen Luftangriffe auf Stuttgart beschädigt, daran erinnert auch die alte Kellertür aus dem Pfarrhaus, auf der der damalige Besitzer alle Luftalarme auf Stuttgart festhielt, bis halt auch das Pfarrhaus kaputt war.
Von 1946 1950 hat man die Kirche wieder so gut es ging aufgebaut. Das zerstörte Gestühl im Haupt– und in den Seitenschiffen wurde erneuert, im Chorraum wurden keine Bankreihen mehr eingebaut. Auf den Emporen sind die alten Bänke noch erhalten. Das Südfenster im Querschiff wurde zugemauert, der über dem Querschiff liegende zerstörte Turm um ein Stockwerk verkürzt wieder aufgebaut den Blick nach oben verhinderte bis heute eine Zwischendecke.
Heute nun wurde nach fast dreijähriger Renovierung die Kirche wieder eröffnet. Angelockt durch den imposanten Sound von einem halben Dutzend Turmbläser (der lokale Posaunenchor tat sein Bestes) gingen wir rein und standen verblüfft auf dem wunderschönen Terrazzoboden und schauten in eine lichtduchflutete Kirche statt des alten finsteren Kastens. Die Zwischendecke ist nämlich weg und alle Fenster sind wieder offen. Den Effekt kann man nicht beschreiben, er ist wie Tag und Nacht und wurde auch schon nach der Renovierung der Stiftskirche erzielt.
Man kann jetzt in eine Kuppel auf zwar noch leicht beschädigte aber sehr schöné Deckenmalereien schauen. Die alten Bankreihen unten sind einer mobilen Bestuhlung aus hellem Holz gewichen was die Kirche bei Veranstaltungen schön flexibel macht und sich ja auch bei der Stiftskirche schon bewährt hat.
Heute waren garantiert alle Plätze belegt, einige Leute standen: es gab das Te deum von Händel und einige andere schöné Stücke, Lesungen und sonstige Festlichkeiten. Die Orgel ist zwar nicht so mächtig wie in Markus– oder Stiftskirche aber sie schlug sich tapfer, die Akustik ist einfach wunderbar und ich denke, dies wird die dritte große Konzertkirche in der Innenstadt werden.
Nun wünsche ich dieser schönen Kirche nur, dass auch an normalen Gottesdiensten wenn auch nicht 1200 viele Besucher hinein finden. Wenn nicht, liegt es schwerlich an der Kirche.

als in heslach die erste kapelle errichtet wurde, schrieb man das 15. jahrhundert, und der ort war ein kleiner weiler mit ein paar dutzend einwohnern. heslach wuchs, und auf die kapelle folgten zwei kirchenbauten (unserer lieben frau, im zuge der reformation 1542 abgerissen, und eine mir nicht namentlich bekannte kirche am heutigen bihlplatz), ehe nach plänen konrad dollingers unter der regie der stadt stuttgart die so übrigens erst 1895 benannte matthäuskirche erbaut wurde. der baustil ist die übliche mischung neoromanischer und gotischer elemente und entspricht damit den vorgaben des sogenannten eisenacher regulativs, in dem diese stile als besonders christlich benannt und für evangelische kirchenneubauten empfohlen wurden. aufgrund der grösse der westturm ragt immerhin 65 meter in die höhe, der vierungsturm ursprünglich 44 meter und der prominenten platzierung nannte man die matthäuskirche bald auch den heslacher dom, wofür man allerdings doch eine gehörige portion lokalpatriotismus mitbringen muss. der innenraum ist von beeindruckender schlichtheit. diese ist aber weniger einer absichtlichen zurückhaltung als vielmehr der bewegten geschichte dieser kirche geschuldet: während der alliierten angriffe auf stuttgart wurde das gebäude 1943 und 1944 schwer beschädigt. teile des gewölbes stürzten ein, wobei unter anderem beinahe die komplette inneneinrichtung, sämtliche wandmalereien und die orgel zerstört wurde, ausserdem brannte das kirchendach. erst 1950, nach vier jahren wiederaufbau, konnte die matthäuskirche neu eingeweiht werden. der vierungsturm war während der aufbauarbeiten um ein stockwerk verkürzt und mit einer zwischendecke versehen worden. das rosettenfenster auf der südseite wurde zugemauert, dort befindet sich heute ein goldenes h (wer weiss, wofür das steht?). zum mahnenden gedenken an die kriegszeit wurde die kellertür des pfarrhauses in der gebelsbergstrasse in die kirche gebracht und unterhalb der orgel, gleich rechts neben dem eingang, ausgestellt. auf ihr finden sich mit bleistift notiert die daten von 128 luftalarmen zwischen 1940 und 1944. die einzigen farbtupfer des kargen innenraums sind die 1960 installierten chorfenster mit glasmalereien adolf sailes (v.l.n.r.: weihnachts-​, oster– und pfingstfenster) sowie die im eingangsbereich ausliegenden gelben kärtchen, auf denen die gemeindemitglieder ihre vorschläge für die umgestaltung des innenraums anlässlich der anstehenden renovierung ab 2008 kund tun können. es bleibt allerdings zu hoffen, dass die renovierungsarbeiten den charakter dieser wunderschönen kirche nicht allzu sehr verändern es wäre schade darum. blickfang und mittelpunkt der kirche ist das holzkruzifix aus dem 15. jahrhundert, das aus der ersten kapelle stammt. es ist an dünnen, kaum sichtbaren schnüren aufgehängt und vermittelt so den eindruck, frei im raum über dem altar zu schweben. mindestens ebenso bemerkenswert ist die empore, die sich abgesehen vom chor um den gesamten innenraum zieht, aber leider nicht zugänglich ist. die schlichte, aber gerade deshalb perfekt hierher passende orgel stammt aus den frühen fünfzigern, enthält aber pfeifen aus dem 19. jahrhundert. sie umfasst 72 register mit über 4.200 pfeifen und wird regelmässig, z.b. während der internationalen orgelkonzerte genutzt. auch sonst bietet die matthäuskirche immer wieder den rahmen für musik– und kulturveranstaltungen. ansonsten aber ist es hier wunderbar still, es gibt nur wenige besucher, dafür viel raum und gelegenheit, zur ruhe zu kommen. direkt neben der kirche liegt der erwin-​schoettle-​platz
, eine kleine oase der erholung. alte männer spielen hier boule oder sitzen mit einer flasche bier am brunnen und beobachten die touristen. unbedingt selbst anschauen, fünf sterne.