Düsseldorf Galopp

Als Kind war ich früher häufiger mit meinem Vater auf der Mönchengladbacher Trabrennbahn. Nun war ich, soweit ich mich zurück erinnern kann, das erste mal auf einer Galopprennbahn.
Letzen Sonntag fand auf der Galopprennbahn in Grafenberg das jährlich stattfindende Dog Event statt, eine Veranstaltung rund um Mensch und Hund. Mit Pferden hat das nicht viel zu tun, trotzdem fand ich es beeindruckend, mich auf dem Gelände der Galopprennbahn zu befinden und mich ein wenig umschauen zu können.
Das gesamt Gelände ist wesentlich weitläufiger als das, dass ich aus Mönchengladbach kenne. Wenn man vor der Bahn steht, erkennt man mit bloßem Auge kaum die andere Seite des Geländes. Umrahmt von sehr vielen Bäumen, was kein Wunder ist, denn man ist mitten im Grafenberger Wald, besteht sogar die eigentliche Rennbahn aus Rasenfläche und nicht aus Sand. Inmitten der Bahn befindet sich sogar eine 9-​Loch-​Golfanlage des Golfclubs Düsseldorf-​Grafenberg. Die weiteren 9 Löcher befinden sich auf einem benachbarten Gelände außerhalb der Galopprennbahn.
Einen interessanten und bemerkenswerten Originaltext der Webseite zur Topographie der Bahn möchte ich zitieren: «Bei den Profis ist sie berühmt und berüchtigt, denn die teilweise recht gravierenden Höhenunterschiede, bestrafen einen unwissenden Jockey mit seinem Pferd „gnadenlos“ auf der Zielgeraden. Die Rennen sind eine Berg– und Talfahrt mit Höhenunterschieden bis zu 15 Meter.»
Vom Parkplatz aus geht man erst mal ein paar Meter, bis man am Kassenhaus mit Schranke ankommt. Direkt dahinter entdeckt man ein schon sehr altes Gebäude, in dem unter anderem die Jockeys gewogen werden. Das Gebäude wurde 1913 gebaut und steht heute unter Denkmalschutz, wird aber dennoch aktiv genutzt. Dann steht man auf einmal vor den beiden riesig anmutenden Tribünen. Bereits hier am Vorplatz, wie aber auch im Erdgeschoss der Tribünen befinden sich die Wettschalter und großflächige Bereiche, wo man auch auf Monitoren das Geschehen beobachten kann und so keine Zeit bei den Wetten verliert.
Ich fand es faszinierend, einmal hier gewesen zu sein. Interessanter wäre es sicher, mal eine Rennveranstaltung zu besuchen.

Es war Muttertag und ich wollte mal was anderes mit meiner Mom und meinem Bruder unternehmen, als bloß essen zu gehen und eine Runde durch einen Park zu drehen (was wir eigentlich nie machen, weil ich immer was anderes mit den beiden unternehmen möchte ;-) Also bin ich mit den beiden zur Galopprennbahn gefahren und das war wirklich mal was anderes ;-)
An dem Tag gab es ein Henkel-​Event und als wir ankamen, so gegen 11 Uhr, war es schon sehr voll und es staksten tatsächlich, wie im Film, Damen in Kostümen mit herausragenden Hüten herum. Es gab die Ketterauchenden Männer mit Mütze und Nachwuchs am Hosenzipfel, der selig an etwas Süßem knabberte, während Papa seinen Gaul anfeuerte. Angetan von dieser filmreifen Atmosphäre ging ich mit meinem Bruder zu einem Schalter. Wir wollten wetten. Das ging aber gar nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten. Obwohl ich gut in Mathe bin, habe ich die verschiedenen Wettsysteme nicht auf Anhieb verstanden. Dazu kommt, dass man natürlich die ganzen Vor-​Infos braucht, welches Pferd z.B. als Favorit gilt und warum trotzdem viele was vom Außenseiter halten. Das ist nicht nur einfach Geld auf eine Nummer wetten, das ist eine ganz eigene Welt mit ganz eigenen Regeln. Wir haben es dann einfach probiert und unser Pferd hat schon nach den ersten Sekunden kapituliert, das war vernichtend. Trotzdem, wer einfach mal ein bisschen Galopprennbahn-​Atmo schnuppern möchte und einen Sonntag Morgen anders als sonst verbringen will, ist hier gut aufgehoben!

Die Rennbahn ist ein guter Ausflugstipp. Für wenig Eintrittsgeld (vor einiger Zeit 5,– EUR oder teilw. auch umsonst) kann man dort einen netten Tag mit Waffel essen etc. verbringen, eine Führung mitmachen … und natürlich Rennen ansehen und wetten.

Der Führring ist der magische Ort, an dem Pferde vor dem Start gezeigt werden. In Düsseldorf ist er ausreichend groß und gut zugänglich. Auch für die stolzen Besitzer, die nun Gelegenheit haben, sich bewundern zu lassen; die Männer in ihren Zweireihern und schrägen Hüten, die Damen in ihren aparten Kleidchen und fantasievollen Kopfbedeckungen, die in Düsseldorf natürlich nicht an Ascot herankommen. Aber da war ja auch die Queen Mum, Lady Elizabeth Angela Marguerite Bowes-​Lyon, der Maßstab. Das Royal Ascot setzt mit seinen 150.000 Flaschen Champagner, 100.000 Flaschen Wein, 14.000 Flaschen Pimms, 6,7 Tonnen Lachs und 5 Tonnen Erdbeeren auch sonst Marken, zumindest war das 2003 so. In Düsseldorf gibt es das eine oder andere Piccolöchen, sonst Wasser, Altbier und Krakauer; der ist allerdings riesig.
Die Kleidung der Besitzer und Trainer war für meinen Freund Joe besonders wichtig; aber nicht, weil er modebewusst war, sondern abergläubisch. Trug Harro Remmert diese schwarze Wildlederjacke, setzte Joe sein Pferd auf Sieg. In besonders herausgeputzten Besitzern sah er die Siegerfamilie für das Gruppenfoto. Er sagte dann kurz: Schimmel ist gut. Auch die Taktikbesprechung der Trainer mit ihren später dazustoßenden Jockeys beobachtete er stets argwöhnisch mit seinen scheinbar schläfrigen Augen. Es gab da geheimnisvolle Zeichen; die Haltung der Reitgerte des Jockeys, die Geste des Trainers bei der Aufsitzhilfe, das Hochziehen der Augenbraue des Besitzers beim Anstecken seiner Cohiba.
Richtige Zocker sind aber nicht wegen der Menschen am Führring, sondern wegen der Pferde. Meiner Beobachtung nach gibt es übrigens eine Rangfolge der Leidenschaft beim Zocken: die Schlimmsten sind die Chinesen, dann kommen die Marokkaner, und erst dann die Slawen und auch gewisse Rentner. Sie erkennen sie an ihrer absoluten Konzentration und doch heftigen inneren Unruhe. Mein Freund Joe, obwohl absolut verträglich, ertrug keine lärmenden Kinder am Führring, etwa die halbwüchsigen Mädchen die mit den Ponypostern im Schlafzimmer die tönten: Ist der aber süß! Das störte ihn in seiner absoluten Konzentration und seiner Verbindung, die er mit dem Pferd aufnehmen wollte.
Wichtig war ihm, wie der Huf der Tiere über den Boden glitt, bevor er aufsetzte. Es musste ein angedeutetes raumgreifendes Schweben sein. Auch eine bestimmte Muskulatur an der Hinterhand der Pferde war ihm wichtig. Bewegte sich das kontraktile Organ stramm wie der vorwärtstickende Zeiger einer Mickymausuhr, sagte er für gewöhnlich: Form ist Hölle. Auch die Augen, der Blick eines Pferdes, waren für ihn entscheidend. Schläfrig schauende Pferde, seinem eigenen Blick ähnlich, waren für ihn keineswegs aus der Welt, sondern für diesen einen, unwiederbringlichen Moment der paar Minuten des Rennens konzentriert. Tänzelnde Pferde tat er als Zirkuspferde ab. Nur einmal hatte er sich wie die ganze Rennbahn gehörig geschnitten. Es gab ein Pferd, das ungewöhnlich nass und unruhig im Führring war. Da hört man dann für gewöhnlich: Der ist ja jetzt schon fertig. Girru, Hengst von Sheshoon (GB), so hieß das Tier, war wie sein Vater immer unruhig, hatte aber wie Sheshoon genügend Kraft, Rennen zu gewinnen. Außerdem gehört es zu den legalen Täuschungsmethoden von Stallmeistern, Pferde für den Führring nass zu machen.
Wie auch immer, bei Unsicherheit gibt es immer noch die Zeitung Sport-​Welt zur näheren Information. Da sind Stuten und Hengste mit ihrer Formkurve haargenau beschrieben. Die Sport-​Welt ist auch belletristisch ein Gewinn. Stilblüten wie Kam auf klebrigem Boden nicht weiter oder Gewann mit der Briefmarke sind üblich. Dies alles müssen Sie schließlich wissen, bevor Sie mit zittriger Hand Ihre Eintragungen (ein waagerechter Strich, kein Kreuz) zur Dreierwette auf der Computerkarte machen.