Cash & Raus

Jetzt hat es mich doch noch erwischt! Mein Sachbearbeiter drückte mir einen Ein-​Euro-​Job auf’s Auge! Meine Stellensuche war ergebnislos, ich bin weiterhin arbeitslos und so könne es ja nicht weitergehen, herrschte er an. Er gab mir vier Flyer von drei verschiedenen Maßnahmen, von denen ich mir über’s Wochenende eine aussuchen durfte. Einmal eine Maßnahme der TERTIA (hier bei Ciao steht interessantes über die geschrieben), zweimal Renatec (Maloche mit Jobcoaching, oh Gott née!!!) und halt jene Stelle von Cash & Raus ohne Jobcoaching oder so’n Quatsch. Einfach nur schaffen, ohne irgendwie behelligt oder unter Druck gesetzt zu werden. Die Stelle setzt natürlich voraus, dass ich die EGV unterschreibe. Habe ich nicht gemacht, die EGV ist als Verwaltungsakt lebendig geworden. So kam es, dass ich am 1. Juni 2010, einem Dienstag, meinen ersten Arbeitstag hatte. Ausgerechnet auch noch im Lager (schwer schleppen, was ich aus gesundheitlichen Gründen nicht darf). Die Leute dort sind nett, man merkt denen aber an, dass die lieber einen richtigen Job hätten als diese Hungerlohn-​Beschäftigung. Unser direkter Vorgesetzte ist ein Herr Egberts (so wie die niederländische Kaffeefirma Douwe Egberts) und zu dem komme ich gleich. Die ersten und einzigen drei Tage habe ich bei mir im Tagebuch stehen, hier werde ich sie auch mal in gekürzter Fassung niederschreiben: 01.06.2010Ankunft am Froschkönigweg 15, das Lager von Cash & Raus, wo verkaufte und gespendete Möbel und anderer Hausrat lagert. Unser direkter Vorgesetzter ist Herr Egberts, ansonsten Herr Zimmermann. Herr Egberts ist sehr bemerkenswert: Leute, die eigentlich keinen Bock auf Cash & Raus haben und auch ohne fernmündliche Meldung der Arbeit fernbleiben, nennt er ein faules Pack. Beim Briefing, immer gegen 7:45 Uhr, ließ er wissen: 95% aller Mitarbeiter hier sind hochmotiviert, hier herrscht ein Bombenklima. Und auf Leute, die kein Bock hier haben, kann ich verzichten. Er bringt es überzeugend laut und bekräftigend rüber. Kurz nach acht ich brauchte ja noch Arbeitsklamotten und wollte mich hier einfinden nahm er mich dann mal zur Seite: und, haben sie Bock zu arbeiten? Natürlich habe ich, ließ ihn aber wissen, dass ich den Stundenlohn für einen Euro eher mau finde. Das Amt zahlt ihnen doch Miete und Heizung? Ich bejahte. Na dann ist doch alles in Ordnung! Genau solch eine Einstellung hasse ich! Es geht hier ums Prinzip! Wer geht gerne einer Tätigkeit nach, wenn dabei nur ein läppischer Obolus pro Stunde bei rausspringt? Er wird mit Sicherheit ein normales Gehalt beziehen! Ich befand mich dann im Lager, half Didi und Ismail, die ich als erstes kennenlernte, bei den anfallenden Arbeiten. Später Emil und Patrick. Auch mein Onkel Stefan arbeitet dort allerdings schon acht Monate und wahrscheinlich fest übernommen als Fahrer, kutschiert die Sachen vom Lager zu den vier Düsseldorfer Filialen rum oder auch zur Müllverbrennungsanlage. Etwas später machte ich eine Tour mit ihm. Dies sei allerdings eine Ausnahme, weil er die Vetternwirtschaft-​Nachrede vermeiden will, wie er mich später wissen ließ. Und die Tour war ätzend. Er will mir das System Cash & Raus erklären, einige Verhaltensregel und das ganze Gedöns. Hier ticken die Uhren anders, führte er an. Um alles aufzuzählen, was er mir während einer Mülltour und einer Abholung erzählt hat, reichen weder Zeit und Platz. Muss man auch nicht wissen. Jedenfalls hätte ich danach auch keine Lust mehr auf eine gemeinsame Tour gehabt. Viel gab es für mich nicht zu tun als ein wenig in den LKW einzuladen, den Müll in der Müllverbrennungsanlage reinzuschmeißen und später in einer Cash & Raus-​Filiale in Lierenfeld anderen Hausrat für’s Lager abzuholen. 02.06.2010Beim Briefing sprach Egberts nochmal das Thema Nichterscheinen am Arbeitsplatz an: wenn sie morgens um 7:30 Uhr nicht hier sind, möchte ich wissen, wo sie um diese Zeit sind! Und was Krankmeldungen angeht, sowohl die fernmündliche Meldung als auch den gelben Jocker, da sei es ihm scheißegal, wie wir es machen, aber wir sollen es machen, auch wenn wir dafür unseren Nachbarn aus dem Bett schmeißen und ihn hierher schicken. Auch ein R-​Anruf sei kein Problem: wir sind ja so nett, wir rufen dann zurück!Arbeitsmäßig hielt es sich die Waage: ein wenig im Lager was machen, ansonsten ging der Arbeitstag für zwei Touren drauf. Mit Wolfgang und Pavel ging es nach Unterbilk und nach Bilk. Während der Fahrt musste ich auch noch feststellen, dass die zwei schwulenfeindlich eingestellt sind. Im Bezug auf den Christopher-​Street-​Day am Wochenende hieß es wenn sich zwei Lesben ablecken, ist mir das egal, aber wenn ich zwei Männer sehe, die sich abschlecken, gibt’s erstmal eine Koppnuss! Als Bisexueller fühle ich mich da auch ein Stück weit angegriffen. Eigentlich kein Wunder, dass man mit seiner sexuellen Orientierung hinterm Berg halten muss bei solchen Zeitgenossen. Aber Arbeit ist Arbeit und die musste über die Bühne gehen. Ich darf eigentlich nicht schwer heben, aber bei der ersten Tour