Recyclinghof Mitte der Wirtschaftsbetriebe

NÖRGELSPIESSER-​RENTNER PLÄDIEREN FÜR STREUGUT!
Zur Schlichtung eines (freundschaftlichen, keine Sorge!) Ehedisputs ruf ich die internetzionale Gemeinschaft zur Schiedsrichtung auf. Wer hat Recht? Ich weiß es nämlich nicht. Ihr vielleicht? Und zwar trug es sich so zu: Die Gattin besuchte mich in meinem Geddo-​Büro, um uns eine dieser legendären High-​End-​Luxus-​Erbsen-​Suppen (mit Eisbein!) zu kochen, die erdgebundene soul-​food– Qualitäten mit genuin-​kulinarischer Raffinesse und geradezu pharmazeutisch und profi-​gastronomisch veredelter Grandiosität verbinden. Köstlich und seelisch erhebend! Mit Roggen-​Schmalz-​Croutons! Ein Gedicht! Leider sprach sie aber zunächst, beim Eintreten, nonchalant beiläufig: Ach, übrigens, da unten, vor Deiner Tür, wird der Bürgersteig grad in eine Eisrutschbahn umtransformiert…
Ich nun, in den Augen der Gattin vom früher mal heiß geliebten zeritifizierten Punk-​Anarcho allmählich zum doofen Nörgelrentner und Spießer-​Blockwart mutiert, stürmte sofort und prompt spontan wutentbrannt hinunter in die Kälte, verscheuchte die jugendlichen Eisbahn-​Bauer mit meinem noch immer beeindruckenden Organ (meine Lehrzeit verbrachte ich als maoistischer Straßenagitator auf Marktplätzen und Kreuzungen, und ich fülle, wenn’s sein muß, noch immer Säle ohne Mikro!), dergestalt, daß ich bariton-​brüllend etwa folgendes artikulierte: Ihr verdammten Scheißidioten! Ihr beknackten Misswüchsigen und sozialpolitische Problemfälle! Ihr grundauf bescheuerten, bildungsfernen Knallaffen! Türken-​Kanaille, verruchte! Hört Ihr, verdammt noch mal, SOFORT auf, hier gefährliche Eisbahnen anzulegen? Seid Ihr denn rettungslos bekloppt? Ihr verdammt ruchloses Pack, was glaubt Ihr, was Ihr hier macht?
Gnadenlos wie berüchtigte Rächer vom Schlage Charles Bronsons oder Clint Eastwoods (Dirty Kraska!) zerstörte ich dann die glitschig-​gefährlichen Eisbahnen unverzüglich mit Salz, Streugut und Anti-​Rutsch-​Mischung vom Duisburger Betriebshof. Dieses Streugut darf man sich nämlich gratis, kostenfrei und in nahezu beliebiger Menge abholen, um es daheim vor den gartenzwerg-​bewehrten Vorgarten zu streuen! Schwer atmend kehrte ich nach erfolgreicher Glatteis-​Rowdy-​Vergrämung ins bereits anheimelnd thymian– und majoranmäßig köstlich nach Erbseneintopf wundersam duftende Heim zurück, nicht aber, um nun etwa Anerkennung für meine tapfer-​männliche Intervention zu ernten, iwo, sondern um bloß den gedehnt-​genervten Satz zu hören: Mein Gott, warst Duuu denn niemals jung? Dies traf mich hart und ganz schön ich-​erschütternd. Doch, doch, nach meiner Erinnerung war ich das durchaus mal, und ein rotwangig derbblöder Idiot mit Sicherheit auch. Mich hätte ich nicht als Sohn haben mögen! Wär ich mein eigenes Kind gewesen möglicherweise wär ich im Heim gelandet! So weit, so gut.
Die Frage nun aber nur: Ist man, weil man früher, vor, sagen wir mal: 50 Jahren, ein ausgemachter Idiot, Depp und Sozialschädling war, deswegen nun verpflichtet, für immer und lebenslang Verständnis für gemeingefährliche, blödsinnige Aktivitäten unbedarfter, extrem mies und desolat erzogener männlicher Jugendlicher zu haben? Darf die typische und durchaus berechtigte Rentner-​Angst, einen finalen, weil oft zu Siechtum und Tod führenden Oberschenkelhalsbruch zu erleiden, zu präventiven Maßnahmen führen oder hat man aus lauter Liberalität und Jugendversteherei dem Tod mild lächelnd ins Auge zu sehen? Ist man bereits ein unrettbar verrotteter Spießer, wenn man (horribile dictu!) versicherungsrechtliche Erwägungen in den Lebensplan mit einbezieht? Ist man, wenn einem die, ich zitiere mich selbst, verdammten unerzogenen Türkenbengel auf den Keks gehen, schon ein Proto-​Nazi? Ein nörgelnder Blockwart? Kurzum: Bin ich noch zu retten?
Ich bekenne: Heute, wenn Oma Meier oder Dede Muhammar (oder, schlimmer bzw. last but not least, womöglich Ich) stirbt, bloß wegen Knochenbruch auf Eisesglätte, dann, bitte, möge es wenigstens nicht vor meiner Tür und nicht in meiner Verantwortung geschehen. Daher fege, schaufele, schneeschiebe und streue ich! Und bin recht mitbürgerlich-​kommunal-​demokratisch dankbar für den Städtischen Betriebshof, der mir kostenlos beliebige Kilo ökologisch korrekten Streugutes anbietet, das ich großzügig vor meinem Haus verstreuen darf, um der hüftsteifen, hochgefährdeten Generation der rheuma-​geplagten, wackligen Osteopathiker ein klein wenig Sicherheit zu geben.
Also, Leute, Eure Stimme bitte: Blöder, verantwortungsloser, aber rotbackig gesunder Jugendspaß versus grämlich-​vorsichtiges, wackeldackliges, hypochondrisches Rentnerglück illusorischer Sicherheit: Was wiegt schwerer? Was geht vor?
Ich wage die Wette, die Gattin gewinnt! Frauen, Jungspunte (sowieso) und krampfhaft Junggebliebene sowie wahrscheinlich alle weiblichen Frauen werden für sie stimmen. Mir verbleibt das stillschweigende, leise Einverständnis der älteren Herren, die Rücken haben und denen eine eingegipste Zukunft als Rehabilitationspatienten Angst macht. Die aber,