Diffferent Places, different Stories 09

Strange thangs goin’ on in inner Sin City, yo!
Schwarzgelbes Flatterband: In US & UK heißt das gerade NICHT, hier tanzt Guido mit Angie den Schmoxtrott oder Schleichertango, sondern hart, hardboiled und eiskalt in die Fresse: Homicide! Kurz: Mord! Hier ist das Mord-​Dezernat mit seinen High-​Tec-​Wissenschaftlern am Werk! Hier riechts nach vergossenem Blut. Keine schwarzgelbe Kohabitation von Uckermarkstück und Schwarzgeldschwuchtel, sondern ein echtes Schwerst-​Kriminal! Es ermitteln Leute der KTU (Kriminaltechnische Untersuchungsabteilung), die in deutschen Fernsehkrimis und nur da idiotischerweise immer «SpuSi (für Spurensicherung) genannt werden. (Obwohl das in Wirklichkeit ernste, professionelle, vielbeschäftigte praktische Wissenschaftler sind, müssen sie in diesen Krimis, wo sie irrerweise stets nur in der Einzahl auftreten, selbst in Gotham City!, immer auch noch den Sidekick-​Idioten für die Kommissare spielen in deren Büro sie meist einen Katzentisch besetzen oder im Türrahmen herumstehen, außerdem Kaffee kochen, komisch reden, Akten ablegen, Telefon bedienen, am Schluß pfiffige Ermittlungstipps geben usw. Echte KTUler schütteln schon gar nicht mehr mit dem Kopf, die legen gleich Eisbeutel drauf!) In Wirklichkeit hat die Landeszentrale Polizeiliche Dienste bei uns in Duisburg bestimmt tausend KTUler beschäftigt.
Jedenfalls, hinter dem Flatterband, im Konsum, Quatsch, im konsumistischen Centrum des Zentrums der Mitte von Duis Sin City» burg, sind acht, neun, zehn KTUler konzentriert bei der Arbeit, suchen ein Stück der Rasenfläche ab, Zentimeter für…, genau, Zentimeter, sie kämmen, sieben, messen, fotographieren, tüten Funde ein, setzen für den Polizei-​Fotographen Markierungen. Kriminaltechnische Spurensicherung ist Ultra-​Präzisionsarbeit, nicht einmal ein unnatürlich geknickter Grashalm, erst recht nicht ein DNA-​strotzender Schnirz eines abgebrochenen Fingernagels darf übersehen werden! Kein Wunder, daß die Leute in den charakteristischen weißen Papier-​Overalls fast bewegungslos hocken, stehen, starren, sichten, suchen. Sind sie erschüttert vom Verbrechen, deren stumme Zeugen sie einsammeln? Oder nur vor lauter Professionalität schon fast gelähmt? Warum zeigen sie so gar keine Regung?
Zwei große Scheinwerfer unterstützen die Arbeit, Auch sie starren auf ihrem steifbeinigen Stativ fassungslos oder unberührt auf den Tatort. Ihre Aufgabe ist noch eine andere: Sie sollen die philosophische Aussage der Kunstinstallation von Harland Miller, denn darum handelt es sich hier, untermauern: The bigger the searchlight the larger the circumference of the unknown, ein bedenkenswertes Wort (zu deutsch: Je größer der Suchscheinwerfer, desto enormer der Umfang des Unbekannten”). Darüber läßt sich wahrhaft der eine oder andere Gedanken verwenden! Zum Beispiel, ob dieser Satz mit der Anekdote kompatibel ist, in der ein Mann des nachts seinen Haustürschlüssel nicht dort sucht, wo er ihn verloren hat, sondern unter der Straßenlaterne, weil dort das Licht besser ist.
Für mich hätte der Satz allein übrigens zur Meditationsanregung schon gereicht, die lebensvoll gestalteten, an den unvergessenen Duane Hanson und seine Fieberglas-​Menschen erinnernden Polyurethan-​Figuren hätt ich gar nicht gebraucht. Anderseits erinnern sie uns Sin-​City-​Bürger an das Mafia-​Massenmassaker vor zwei Jahren, das nur ein paar hundert Meter von hier stattfand. Die Killer wurden mittlerweise festgesetzt, nicht zuletzt durch die akribische Arbeit der Frauen und Männer in den weißen Overalls!
The bigger the searchlight… ist Bestandteil einer am ganzen Niederrhein, in Deutschland und den Niederlanden stattfindenden konzertierten Kunstaktion namens Different places, different Stries 09 20 Kunstprojekte im Öffentlichen Raum zwischen Rhein und Maas. Qyperin karu hat schon über einen anderen Beitrag zu dieser Pralellaktion in Bedburg-​Hau («Voltaire-​Weg») berichtet. Von karu stammen auch die Nachtaufnahmen der Installation, die noch bis zum 27. September auf dem König-​Heinrich-​Platz zu bestaunen ist.