Wilmersdorfer Verkehrsinsel der Wildkaninchen

Eine Exkollegin aus Bad Tölz sagte einst, sie hätte noch nie so viele Wildtiere gesehen wie seit ihrem Umzug nach Berlin.
Was mich — soeben dem Auto entstiegen — dazu bringt, den wohl skurrilsten meiner Berlinbeiträge zu schreiben.
Knotenpunkt Bundeallee/​/​Ecke Spichernstraße/​/​Ecke Hohenzollerndamm/​/​Ecke Pariser Straße.
Zehlendorf, Steglitz, Schöneberg, Kudamm, Wilmersdorf, Richtung Kreuzberg: kurzum tanzt hier verkehrstechnisch der Bär.
14 Monate lang war ich Laus im Bärenfell und stand an diesem Knotenpunkt zweimal täglich.
Immerhin: Hier scheint man soweit die Knöpfe richtig zu bedienen, so dass — keine Baumaßnahmen voraus gesetzt — alles recht flüssig vonstatten geht.
Jedoch bleibt für eines immer Zeit: Kaninchengucken.
An einer der beiden rundlichen Mittelinseln (eine groß, die andere klein) steht man immer. Und da sitzen sie, neben deinen Pneues und mümmeln in Seeleruhe das Grün vom Borsteinrand. Immer in Gruppen, denn sie sind systematisch organisiert. So tümmeln sich diese hoppelnden Wesen von einem reifen Fleck zum nächsten.
Auch nach Feierabend. In allen Größen. Wenn es zu heiß oder auch zu kalt ist, verkriechen sie sich im Erdinneren. Unter die Tausenden Autos.
Eines Abends zählte ich 35 Tiere. Auf der großen Mittelinsel.
Weitere Sippenmitglieder tümmeln sich zwischen Pariser/​Meierottostraße. Jedoch liegt diese Ecke an einem Bürgersteig und ist entsprechend mit Zweibeinern auf zwei Beinen und nicht auf vier Rädern bevölkert.
Da verzieht sich die Menge lieber auf eine der Mittelinseln (Mittelstreifen der Bundesallee eher ungeeignet wegen Hundeverkehr). Dahin kommen die Zweibeiner wenigstens immer nur dann, wenn sie in harten Wintern oder heißen Sommern in waghalsigen Straßenüberquerungsmanövern Heu ablegen.
Ich bin gespannt, wann sich die Straßen absenken in die unterirdische Welt der Karnickel und sie sich wieder geholt haben, was ihnen einst gehörte.
Zumindest hätten sie dann kurz gewonnen.