Violet

Ein Erwachsenenclub soll es, so stand es unlängst im Interview mit Marcus Trojan in der Berliner Zeitung zu lesen, also sein, und folgt damit ja durchaus einem Trend in Mitte, den Till Harter, Betreiber des Tausend, einst mit den Worten begründete Wir sind langsam zu alt, um in staubigen Kellern herumzustehen. Es ist sehr wohltuend, dass man sich auch mit Mitte 30 in den Clubs entlang der Friedrichstraße nicht deplaziert fühlt, aber dennoch ein würdiges Programm geboten bekommt, und nicht gezwungen ist, auf unsägliche Ü30-​Veranstaltungen auszuweichen. Auch wenn dieses Problem in Berlin gewiss weniger akut brennt als anderswo, besteht durchaus für Etablissements dieser Art Bedarf, und so nahm ich Trojans Ankündigung mit Freude, aber angesichts des desaströsen Weekend auch mit Skepsis zur Kenntnis. An diesen Worten jedenfalls sollte sich der Club messen lassen, aber ebenso an seinem gescheiterten Vorgänger Badlands, der so schlecht nicht war, wie geschrieben wird, aber ob sich eine Verbesserung der wesentlichen Kritikpunkte — die insbesondere im unpassenden Publikum zu finden waren — eingestellt hatte, bedurfte einer Überprüfung. Nicht der schlechteste Anlass war, wie wir fanden, ein Innercity-​Abend mit der Bank für stilsicheren House: Dixon.
Es hatte sich etwas getan. Da meine charmante Begleitung und ich unsere flüssige Wegzehrung noch nicht aufgebraucht hatten, nahmen wir den Club zunächst für einige Minuten von aussen in Augenschein. Der Eingangsbereich war verändert worden, und wirkte wenig einladend. Als unbedarfter Passant würde man erwarten, drinnen neureiche Russen vorzufinden, die mit 100-​Euro-​Scheinen um sich warfen. Auch vom überaus sympathischen Türpersonal, das einst das Badlands bewachte, war hier nichts zu sehen. Statt dessen kamen wir in den Genuss des folgenden Dialogs zwischen dem nicht wirklich souverän und sympathisch dreinblickenden Türsteher, und einigen Gästen: Habt ihr einen Stempel? — nein — seid ihr auf der Gästeliste? — nein — Dann geht mal durch. Skurril.
Auch drinnen hatte sich einiges getan. Offenbar um Verwirrung zu stiften, oder nur der Erkenntnis geschuldet, dass Clubgänger Gänge mögen, waren hinter dem Einlass einige Wände eingezogen worden, so dass man sich dem Mainfloor nunmehr durch eine Art Labyrinth nähern musste. Wo das Badlands einerseits zu dunkel war, andererseits aber mit trashig-​ironischem 80er-​Charme glänzte, war das Violet ebenso dunkel (von der violetten Ausleuchtung von den myspace-​Fotos keine Spur), dafür aber der 80er-​Elemente beraubt. Es fehlte der große Spiegel hinter der Bar, und die hohen Podeste, von denen aus man einen wunderbaren Überblick über das Geschehen hatte, wurden zugunsten mehrerer Stufen um den Floor herum entfernt. Kein Fortschritt.
Musik und Sound kann man als über jeden Zweifel erhaben bezeichnen, aber das Booking war auch noch nie Trojans Problem. Enttäuschung hingegen an der Bar, die wirkte, als hätte man eine kleine Kopie des Weekend-​Tresens hierher verfrachtet: Wer den Anspruch hat, eine Bar mit Anspruch zu betreiben, könnte durchaus wenigstens mal darüber nachdenken, ein hochwertiges Premiumpils feilzubieten statt billigen Supermarktbieres. Bei Cookie ist das ja ganz lustig, aber Cookie sagt, die Leute sollten Cocktails trinken, und kein Bier, und trotzdem werden auf freundliche Nachfrage hin dort zuweilen auch schonmal geheime Kühlschränke geöffnet. Hier hingegen muss man leider mit dem Vorlieb nehmen, was in der Karte steht, fürs Aspirin kommt ein jeder selbst auf. Schade, und führt zu einer deutlichen Abwertung.
Bei einem Blick über die tanzende Meute wurde sodann auch aus dem putzigen Erlebnis an der Tür ein Schuh: So sehr man auch suchte, man kannte niemanden. Nungut, man muss dazu sagen, dass an diesem Abend alles und jeder sich in der Gästelistenschlange vorm WMF die Beine in den Bauch stand, aber etwas weniger Beliebigkeit am Einlass hätte der Sache nicht geschadet. BWL-​Studenten in Polohemden, brandenburger Bauarbeiter mit rasierten Schläfen und Azubinen aus Mandys Haarstudio (mit Apostroph) trifft man auch im Turm am Alex. Oder wie meine Begleitung treffend bemerkte: Ist ja voll Frankfurt hier. Mitte war es jedenfalls ganz sicher nicht. Und erwachsen schon garnicht.