Alte Tante Abendschau irgendwie haben dich doch alle gern. Du bist nicht mehr die frischste, etwas verstaubt, aber das macht doch gerade deinen Charme aus. Du probierst nicht etwas zu sein, was du nicht bist, sondern bleibst die treu ohne konservativ zu sein. Es gibt kaum eine Sendung die so nett und unterhaltsam ist, während die oft für viele recht belanglos erscheinenden Nachrichten gezeigt werden. Man fühlt sich irgendwie ganz heimelig, wenn man abends um halb acht die gute alte Abendschau einschaltet und die altbekannten Gesichter über die Röhre flimmern sieht. Für alle frisch Zugezogenen mag es unnachvollziehbar sein, wie man sich für diese halbe Stunde Berlinnachrichten begeistern kann, aber sie gehört einfach dazu, die alte Tante Abendschau.
Stefan E.
Classificação do local: 3 Berlin
«Ulli Zelle ist für uns vor Ort. Ulli, wie siehts denn aus?» Wieder steht Ulli inmitten semi-aufgebrachter Bürger, die ihrem Ärger über irgendeinen Schildbürgerstreich der Verwaltung Luft machen. Dann zurück ins Studio, wo die Damen bereits die weiteren Nachrichten sortiert haben. Unfall in Charlottenburg, Riesenaufregung im Kindergarten weil Hamster Hansi weg ist, der Eisbär und die Eisbärin liegen in der Sonne und der Herr Bürgermeister hat wieder irgendwo was eröffnet, wo es auch Sekt gegeben hat. «Wir schalten nochmal live vor Ort zu Ulli Zelle. Ulli, wie siehts denn aus? Gibt es was Neues?» Gibt es natürlich nicht. Egal. Irgendein Studiogast wird mit Fragen konfrontiert und dann kommt schon eine neue Folge der beliebten Serie«Wir haben mal vorbeigeschaut». Manchmal muss man immer noch ein wenig grinsen, aber in den letzten Jahren ist man doch eine Spur besser geworden und man kann die Abendschau an manchen Stellen sogar ernst nehmen. Es überwiegt aber weiterhin der verträumte Lokalpatriotismus einer Sendung, die sich im alten West-Berlin gemütlich eingerichtet hat und die jüngste Entwicklung zur Weltstadt irgendwie verschlafen hat.
Martina K.
Classificação do local: 5 Berlin
Es gab Zeiten, in denen Fernsehapparate farblos ausstrahlten. Und dies auf ganzen vier Programmen. Man musste sich vom Sessel erheben, um diese zu wechseln. Oder auch um leiser resp. lauter zu machen. Schlief man bei laufendem Gerät ein, wurde man entweder von fiependen Testbild oder dem darauf folgenden«Krieg der Ameisen» geweckt… Egal, was sich seitdem geändert hat: Die Berliner Abendschau ist immer noch die alte. Gut, es gibt kein«Macht’s gut, Nachbarn!» mehr zur Verabschiedung, das vor allem denen auf der anderen Seite der Mauer gewidmet war(Zitategeber Hans-Werner Kock nahm Ende 1990 seinen Hut, sehr zum Bedauern der Abendschau.-Anhänger), aber neue Gesichter folgten. Wer unter den Alt– und Neuberlinern wissen will, was aktuell in der Stadt passiert, auf welcher Party unser Meister des roten Teppichs und Rathauses gerade nippt, was hinter den Kulissen des Hauptstadtheaters passiert, was die Menschen bewegt oder was sie bewegen wollen: Bitte sehr. Unaufgeregt, interessant, immer mit neuen Aktionen, «den Berliner», der sich nicht ins Blitzlichtgewitter drängt, zu skizzieren. Ohne Schablonen und Tamtam. Um halb sieben am Abend geht der Knopf auf’s Dritte. Täglich. Ohne Polemik, ohne Gebrüll. Auch, wenn ich dafür nicht mehr vom Sofa runter muss.